Blümel über Internetgiganten: "Krieg gegen unsere Kultur"

Blümel über Internetgiganten: "Krieg gegen unsere Kultur"
Der Minister sucht in Paris Verbündete gegen die Internetkonzerne. Den ORF hält er für wichtiger denn je.

Vergnügungssteuerpflichtig ist Gernot Blümels Job derzeit nicht. Kaum hat er das Karfreitags-Dilemma vom Tisch, steht ihm das nächste Himmelfahrtskommando bevor: mit der FPÖ beim ORF auf einen Nenner zu kommen. Keine leichte Aufgabe, fliegen in diesem Konflikt doch beim geringsten Anlass die Fetzen.

Gernot Blümel ist Regierungskoordinator und des Kanzlers wichtigster Zuarbeiter. In seinem Ministerium hat er mit Europa, Kultur und Medien Schlüssel-Zuständigkeiten für die Zukunft: wie ist es um unsere Demokratie bestellt, wenn sich traditionelle Medien, die für die Information der Bevölkerung sorgen, nicht mehr finanzieren können? Wo bleibt die europäische Kultur, wenn digitale Giganten das geistige Eigentum stehlen und damit ihr Geschäft machen?

Antworten auf diese kulturellen Überlebensfragen hat niemand in Europa. Blümel: „Jedes Land sucht für sich nach Strategien, und wir suchen auch gemeinsam auf europäischer Ebene nach Lösungen.“

„Gafa“ aus Amerika

Am Donnerstag und Freitag tourte Blümel durch Paris, um in Gesprächen mit Politikern, Medienmanagern und anderen Experten Strategien gegen die US-Internetgiganten auszuloten. Gafa, nennt man sie in FrankreichGoogle, Amazon, Facebook und Apple. Frankreich eignet sich gut als Partner gegen den Einfluss der US-Konzerne. Das Land ist bekannt für seine Kampfbereitschaft zum Erhalt seiner Kultur.

„Es herrscht Krieg“, sagte die Chefin von France Televisions, Delphine ErnotteBlümel pflichtet Ihr bei: „Es herrscht Krieg zwischen den digitalen Giganten und den traditionellen Medien.“

„Wir wollen Euer Geld nicht.“ Mit diesen Worten hat France Televisions ein Angebot von Netflix, gemeinsam eine TV-Serie zu produzieren, abgelehnt. Der Grund: die BBC habe sich mit Serien wie „The Crown“ auf eine Kooperation mit Netflix eingelassen und sei „ausgesogen“ worden und „untergegangen“.

Wie prekär die Entwicklung ist, zeigt auch das Beispiel Le Figaro, ein großes privates Medienhaus. Vor vier Jahren hat Le Figaro – dessen Kerngeschäft ist wie beim KURIER eine Tageszeitung – in der Online-Information eine Bezahlschranke eingeführt. Man kann ePaper und Exklusivgeschichten auf der Website gemeinsam zum Preis von neun Euro im Monat abonnieren. Le Figaro ist stolz darauf, nach vier Jahren knapp 100.000 Abonnenten zu haben.

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Mini-Teil vom Kuchen

Aber was ist das an Einnahmen? 900.000 Euro im Monat, 10,8 Millionen im Jahr. Oder: Der Online-Anteil am Gesamtwerbekuchen wächst, aber nur sechs Prozent davon gehen an die Websites traditioneller Medienhäuser.

Zum Vergleich: Le Figaro beschäftigt 450 Journalisten. Vier Beschäftigte sind allein nötig, um aus den 1,8 Millionen monatlichen Postings Hass und Hetze heraus zu filtern und zu überprüfen, ob es sich um gesteuerte Manipulations-Postings handelt. Jedes einzelne Posting wird von Le Figaro überprüft, bevor es online geht. „Wie bei den Chinesen“, sagt ein führender Journalist. Dieser bittere Scherz fällt öfter.

Aber wie notwendig das Filtern von Postings ist, wird gerade in Frankreich deutlich. Die Gelbwesten-Proteste, die seit sechs Monaten Paris verwüsten, orientieren sich an Russia Today. Zur russischen Manipulation gehören Falschinformationen, sogenannte Fakepostings oder Bots, in Leserforen. Ein Beispiel für Österreich: Die Russen verbreiteten, bewaffnete Flüchtlinge würden sich an der Grenze zusammenrotten, um die EU zu stürmen.

Der Dienst an der Demokratie ist teuer. Wer bezahlt ihn in Zukunft? Le Figaro lebt wie alle traditionellen, seriösen Medienhäuser von Print. Die Haupt-Einnahmen im Netz gehen an „Gafa“. Zugleich zahlt „Gafa“ nichts für die Inhalte, die die vielen Journalisten und Künstler Europas produzieren. „Die Europäer sind toll beim Produzieren von Inhalten, die Amerikaner beim Vermarkten“, so bringt es beim Blümel-Besuch ein Manager von Deezer auf den Punkt.

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Deezer ist ein europäischer Musik-Streamingdienst, der Gafa – konkret YouTube – die Stirn bietet. Deezer bezahlt an die Musikproduzenten und Künstler zehn Mal so viel wie YouTube, aber von einem positiven Geschäftsergebnis ist er noch weit entfernt.

Wo sieht Österreichs Medienminister erfolgversprechende Strategien in diesem, frei nach Delphine Ernotte, Kultur-Krieg?

Blümel: „Wir müssen aufhören, die analoge und digitale Welt getrennt zu denken. Was in der analogen Welt gilt, muss auch in der digitalen gelten.“ Daraus leitet er ab: „Wenn man in der analogen Welt geistiges Eigentum nicht klauen darf, darf man es auch in der digitalen nicht.“

Also ist er für starken Leistungsschutz im Internet. Kommende Woche steht die wichtige Abstimmung im EU-Parlament über die neue Leistungsschutzrichtlinie bevor, die den Diebstahl geistigen Eigentums im Internet unterbinden soll. Gafa lobbyiert massiv dagegen und versucht, EU-Abgeordnete unter dem Titel „Freiheit im Internet“ zum Absprung zu bewegen.

Zweitens, Wettbewerbsregeln aufstellen. „Google hat in Österreich einen Anteil von 98 Prozent bei den Suchmachschinen. Im analogen Bereich schreitet die Wettbewerbsbehörde bei 30 Prozent ein wegen marktbeherrschender Stellung.“

Man soll die Giganten nicht zerschlagen, wie manche fordern, sagt Blümel. Er ist für eine andere Lösung und bringt den Vergleich mit der Autobahn: Alle müssen für die gleiche Gebühr darauf fahren dürfen, für eigene Autos darf es keine eigene Spur geben. Also: Google sei, obwohl privat, wie eine öffentliche Infrastruktur zu behandeln und zur Neutralität zu verpflichten.

Es gebe eine „coole Entscheidung des Wiener Handelsgerichts“ (Blümel), wonach YouTube nicht neutral sei. Folglich müsse die EU die eCommerce-Richtlinie aufmachen, um diesem Umstand Rechnung zu tragen. Gemeinsam mit Frankreich wird Österreich bei der neuen Kommission einen Vorstoß in diese Richtung machen.

Drittens, die Konzerne seien zu verpflichten, selbst gegen Hasspostings und Manipulationen im Netz vorzugehen. In Deutschland muss jeder globale, digitale Konzern einen Bevollmächtigten in Deutschland haben. Das heißt, wenn die Behörde anruft, muss jemand abheben, der auch haftet. Wenn der Konzern die von Deutschland erlassenen Regeln gegen Hass und Manipulation nicht befolgt, sind bis zu 50 Millionen Strafe fällig.

In Österreich will Blümel ein „digitales Vermummungsverbot“, das Fakepostings und computergesteuerte Manipulation generell verbiete bzw. verhindern sollte.

Viertens, eine Digital- vulgo Gafa-Steuer wird angestrebt, Österreich und Frankreich führen mangels EU-Konsens gerade national solche Steuern ein.

ORF und Private

Nicht zuletzt will Blümel einen starken ORF erhalten, „das ist Zeiten wie diesen absolut notwendig. Wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn jetzt erfinden“, sagt der Minister. Gleichzeitig will er darauf achten, dass durch die staatliche Unterstützung für den ORF die privaten Medien nicht noch mehr unter Druck kommen, als sie es wegen Gafa ohnehin schon sind. Blümel strebt eine Kooperation der Medien – ORF und Private – gegen Gafa an. Aber dazu muss er erst die FPÖ auf die Linie bringen, einen starken ORF zu wollen.

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