Blauer Rückzieher bei Ministeranklage
Nichts wird es mit der Ministeranklage als Minderheitenrecht. Kurz sah es danach aus, dass die Liste Jetzt mit ihrer Forderung durchkommt, dass ein Drittel der Abgeordneten Mitglieder der Bundesregierung beim Verfassungsgerichtshof anklagen kann. Doch dann machte die FPÖ einen Rückzieher.
Im Verfassungsausschuss wurde der Jetzt-Antrag am Dienstag mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ abgelehnt. Auch im Nationalratsplenum am Mittwoch sei nicht davon auszugehen, dass die FPÖ zustimmt, sagt FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan. Damit ist die nötige Zweidrittelmehrheit dahin.
Blaue 180-Grad-Wende
Das Nein der Freiheitlichen sei „eine 180-Grad-Wende“, kritisiert Alfred Noll von der Liste Jetzt. Schließlich war die Ministeranklage als Minderheitenrecht lange eine FPÖ-Forderung.
„Es gibt genügend Möglichkeiten, einen Minister zur Verantwortung zu ziehen“, sagt Stefan zum KURIER. Man habe sich dagegen entschieden, Regierungsmitglieder wegen jeder Rechtswidrigkeit anklagen zu können. Denn „da hätte man Minister jederzeit kaltstellen können“.
Bei einer Ministeranklage kann der Nationalrat mit Mehrheitsbeschluss ein Mitglied der Bundesregierung wegen schuldhafter Gesetzesverletzung im Rahmen ihrer Amtstätigkeit beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) anklagen. Stellt der VfGH eine Rechtsverletzung fest, bedeutet das für den Verurteilten den Verlust des Amtes. Unter besonders schweren Umständen auch den zeitlichen Verlust politischer Rechte (z.B. Wahlrecht). Bei geringfügigen Rechtsverletzungen kann sich der VfGH auf die Feststellung beschränken, dass eine Rechtsverletzung vorliegt.
Weil die Bundesregierung üblicherweise auch über eine Mehrheit im Parlament verfügt, waren Anträge auf Ministeranklage gegen Regierungsmitglieder noch nie erfolgreich. Ex-VfGH-Präsident Gerhart Holzinger sprach deshalb schon von „totem Recht“.
Ministeranklagen sind auch gegen den Bundespräsidenten (durch die Bundesversammlung) und Mitglieder von Landesregierungen möglich (durch die Landtage oder die Bundesregierung wegen Gesetzesverstoßes oder Nichtbefolgens einer Weisung des Bundes).
Das war bei der einzigen Ministeranklage in der Zweiten Republik der Fall: Weil er entgegen einer Weisung von Sozialminister Alfred Dallinger die Geschäfte in Salzburg an Mariä Empfängnis (8. Dezember) offen ließ, erhob die rot-blaue Bundesregierung 1985 Ministeranklage gegen Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Die Verfassungsrichter sprachen ihn schuldig, Konsequenzen für Haslauer gab es jedoch keine.
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