Blauer Blues: "Kein Debakel, noch nicht …"
Seit dem 17. Mai 2019 – dem Auffliegen des Ibiza-Videos – befinden sich die Blauen im steilen Sinkflug. Auch bei den steirischen Gemeinderatswahlen war eine Trendumkehr nicht zu schaffen. Die Bilanz liest sich für die Blauen mehr als bitter: In 191 Gemeinden setzte es Verluste, in 43 davon fiel das Minus sogar zweistellig aus. Nur in 42 Gemeinden schaffte es die FPÖ, Zuwächse zu verzeichnen.
In drei Monaten wird in Wien gewählt. Was also tun, damit in der Bundeshauptstadt zumindest ein Debakel ausbleibt? Ein Wechsel an der Parteispitze? Schon zu Beginn der Corona-Krise rumorte es in der Partei. Hinter den Kulissen wurde der Ruf laut, dass man einen neuen Parteichef finden müsse. Nämlich einen, der die Stärken vom angriffsfreudigen Herbert Kickl und dem konzilianten Norbert Hofer in einer Person vereint.
Die wenigen, die für den Job mit diesem Anforderungsprofil infrage kommen, wie etwa FPÖ-Steiermark-Chef Mario Kunasek oder OÖ-Landesvize Manfred Haimbuchner, winken aber vehement ab, auf das glatte politische Parkett nach Wien wechseln zu wollen. „Irgendwann wird es nicht mehr eine Frage des Wollens sein, sondern es wird eine Frage der Notwendigkeit werden“, so ein Blauer.
Für den blauen Vordenker Andreas Mölzer hat sich der Bundestrend in der Steiermark fortgesetzt. „Dort, wo die FPÖ gut aufgestellt ist, verliert sie ein Drittel. Dort, wo sie schlecht aufgestellt ist, sogar zwei Drittel. Das war auch in den steirischen Gemeinden so“, analysiert Mölzer. Die Frage in Wien sei derzeit nur mehr, verliert man eben nur ein Drittel „oder werden es sogar zwei“.
Niveau von 2010
Aber für einen Wechsel an der Spitze reicht die verlorene Gemeinderatswahl nicht aus. „Wir hatten zwei charismatische Parteichefs und haben gesehen, wohin das geführt hat. Man muss jetzt Geduld haben. Der Konsolidierungsprozess wird wieder ungefähr zehn Jahre dauern“, so die Prognose von Mölzer.
Auch die Politikberater mit blauer Vergangenheit, Stefan Petzner und Gerald Grosz, orten im Ergebnis der Gemeinderatswahl „noch kein Debakel“ mit Betonung auf „noch“. „In Wahrheit ist die FPÖ jetzt auf dem Niveau, wo sie 2010 war. Der Erfolg von 2015 war den unbeliebten Gemeindefusionen in der Steiermark geschuldet. Damals wechselten alle Protestwähler zu den Blauen oder zu Bürgerlisten“, so Petzner.
Um am Wahlabend des 11. Oktober in Wien nicht in der schönen blauen Donau unterzugehen, müssen die FPÖ-Spitzen in die Gänge kommen. „Die FPÖ muss ganz klar kommunizieren, wir sind von HC vulgo Hand Cash Strache ausgeraubt worden“, so Gerald Grosz. Alle Belege dafür müssen auf den Tisch, so der Rat von Grosz.
Und auch Petzner ortet trotz Parteiausschluss noch mehr Distanzierungspotenzial von Strache. „Die Staatsanwaltschaft führt offiziell Strache als Beschuldigten und die Partei, aber auch den FPÖ-Parlamentsklub als Opfer – und nicht umgekehrt, wie Strache das darstellt. Das hat nicht mit Anpatzen zu tun. Das sind die Ermittlungsergebnisse der Justiz.“
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