Enzenhofer gegen Zentralismus und Personalautonomie

Fritz Enzenhofer, Landesschulratspräsident in Oberösterreich
Auch die Lehrerauswahl durch die Direktoren sollte überdacht werden. "Schulentwicklung ist mehr als Standortentwicklung", sagt Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer.

Der oberösterreichische Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer (ÖVP) warnt vor Zentralismus und zu starker Personalautonomie bei der Umsetzung der Bildungsreform. Die geplante Einführung eines Sozialindexes lasse kaum Spielraum für Länder und Schule, so Enzenhofer. Auch die Lehrerauswahl durch die Direktoren sollte überdacht werden. "Schulentwicklung ist mehr als Standortentwicklung."

"Auf der einen Seite legt man Autonomie als Kernpunkt dieser Reform fest, andererseits führt man damit aber Zentralismus ein", bemängelte Enzenhofer, der auch Sprecher der von der ÖVP gestellten Landesschulratspräsidenten ist. So plane etwa das Ministerium, fünf Prozent der über den Finanzausgleich an die Länder vergebenen Mittel über einen Sozialindex zu steuern - also etwa über die Zahl der Akademikerkinder, Migrantenkinder und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Da bleibt kein Spielraum mehr für das Land und schon gar nicht für die Schule selbst.

In der Realität verlören die Länder dadurch jede Steuerungsmöglichkeit: "Diese fünf Prozent sind mehr, als ich überhaupt an frei verfügbaren Mitteln habe. Mindestens 95 Prozent werden zur Abdeckung des regulären Stundenplans gebraucht", so Enzenhofer. "Da bleibt kein Spielraum mehr für das Land und schon gar nicht für die Schule selbst."

Größere Städte werden bevorzugt

In der Praxis würden damit automatisch größere Städte bevorzugt, meinte der Oberösterreicher. "Und die größte Stadt ist Wien. Diese Bevorzugung ist auch logisch und zum Teil auch wirklich notwendig. Nur soll Wien das auch innerhalb seiner Möglichkeiten selbst gestalten können und die fünf Prozent in den Ländern bleiben."

Überdacht werden solle auch gerade in Zeiten eines bevorstehenden Lehrermangels die Absicht, die Schulen selbst ihre Lehrer aussuchen zu lassen. "Einfaches Beispiel: Zwei Neue Mittelschulen in derselben Region. In der Schule A geht von drei Lehrern in der Physik, einem Mangelfach, einer in Pension, in der Schule B geht der einzige Physiklehrer in Pension. Der Direktor der Schule A wird dem Bewerber sagen: Bei mir kriegen Sie einen schönen Stundenplan, wenn Sie in die andere Schule gehen, werden Sie zehn Jahre nur Physik und Chemie unterrichten, weil der Saal nur einmal belegt werden kann." Vom Ministerium heiße es zwar, dass in solchen Fällen die Behörde eingreifen müsse. "Die hat dann aber keinen mehr, den sie verteilen kann - und die eine Schule keinen Physiklehrer."

Konkurrenz innerhalb des Bildungsraumes

Volksschullehrer würden künftig außerdem wählen können, ob sie in Schulen aus "besseren" Gegenden unterrichten wollen oder in Schulen mit hohem Migrantenanteil. "Wenn das nicht gleich ein Missionar ist, wird er sich vermutlich die bessere Gegend aussuchen und sich dort bewerben", meinte Enzenhofer. "Für die schwierigeren Schulen habe ich dann keinen mehr oder nur diejenigen, die kein anderer genommen hat - also eigentlich die falsche Auswahl, weil dort eigentlich die besten hingehen sollten."

"Bei der Autonomie für die Einzelschule wird oft nicht berücksichtigt, dass es auch regionale und überregionale Verantwortungen geben kann", so der Landesschulchef. In einer Stadt müssten vielleicht Probleme, die an mehreren Standorten auftreten, gemeinsam gelöst werden. "Ich bin da kein Anhänger der Autonomie, sondern der Subsidiarität: Die kleinere Einheit soll so lange entscheiden, bis ein übergeordnetes Interesse da ist."

Praktische Probleme

Die Lehrerauswahl durch die Schule stelle außerdem auch praktische Probleme: Allein in Oberösterreich würden in den ersten beiden Schulwochen 290 Lehrer angestellt. Dieser Bedarf entscheide sich erst in den ersten Schultagen aufgrund der tatsächlichen Schülerzahl, Lehrer-Karenzen bzw. Krankheiten etc. Müssten die Schulen selbst suchen, hätten alle erst im Dezember ihre Lehrer. "Auf diesen Einwand hat der Werner Amon (ÖVP-Generalsekretär, Anm.) gesagt: Die Landesschulrätspräsidenten sind zu detailverliebt. Ich muss sagen, da sind andere offenbar zu oberflächlich."

Begrüßt wird von Enzenhofer dagegen die Möglichkeit zur Bildung von Schulclustern. "Es macht Sinn, wenn man administratives Personal für alle gemeinsam einsetzt - allerdings zusätzlich und nicht, indem man Lehrerstunden dafür abzweigt." Verzichten könne man dagegen auf die geplanten Clusterbeiräte aus lokalen Honoratioren. "Sehr gut" findet er auch die Möglichkeit, Schulen selbst über die Benotung, die Einrichtung jahrgangsgemischter Klassen oder die Teilungszahlen von Klassen entscheiden zu lassen. "Es kann in einigen Fächern wurscht sein, ob 25 oder 26 in der Klasse sitzen, dafür mache ich in anderen kleinere Gruppen oder Fördergruppen."

Im Oktober verkündeten Bildungsministerin Sonja Hammerschmid und Staatssekretär Harald Mahrer die Einigung: Beschlossen ist eine große Verwaltungsreform, die unterm Strich keine zusätzlichen Kosten verursachen darf, weil es keine zusätzlichen Mittel gibt, aber das Schulsystem mittelfristig deutlich verbessern soll. „Es ist Neuland, das wir da betreten“, gibt Mahrer zu, der die Reform als „mutigen Schritt“ bezeichnet.

Allem zugrunde liegt die Idee, dass sich bis zu acht Schulstandorte einer Region freiwillig zu einem Schulcluster zusammenschließen, und alle ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen – von der Bibliothek über die Sportstätten bis zu den Lehrern – bündeln und gemeinsam nützen.

An einem dieser maximal acht Standorte wird ein Clusterleiter installiert, der die Aufgaben der Schulleitung für alle Clusterschulen übernimmt und damit die Verantwortung für die Bildung einer Region übernimmt. Diese Management- und Führungsfunktion benötigt eine entsprechende Ausbildung, die der neu zu schaffende Hochschullehrgang „Schulen professionell führen“ gewährleisten soll. Clusterleiter sollen anfangs nur für fünf Jahre bestellt werden, wenn sie sich bewähren, sollen sie auf unbestimmte Zeit verlängert werden.

Ziel dieses Zusammenschlusses ist es, in einer Region (oder einem Bezirk) die Bildungsübergänge der Kinder vom Kindergarten bis zum Schulabschluss oder zur Oberstufe zu gewährleisten.

Nur an jenem Standort, der die Clusterleitung innehat, wird ein eigenes Sekretariat geschaffen, das die Schulverwaltung aller eigenen Clusterschulen übernimmt.

Die (ehemaligen) Direktoren der einzelnen Clusterschulen bekommen eine reduzierte Leitungsfunktion, die sich auf die pädagogische Leitung am Standort beschränken soll. Somit können die Direktoren wieder als Lehrer an ihrem Standort tätig werden. Finanzielle Einbußen sollen sie keine erleiden.

SCHULAUTONOMIE

Damit einher geht eine personelle, pädagogische, organisatorische und personelle Autonomie der Schulcluster beziehungsweise einzelner Schulen.

Sie sollen alleine entscheiden, wann die Schule öffnet, wann unterrichtet wird, wie unterrichtet wird, aber auch wer unterrichtet. Die Auswahl neuer Lehrer soll direkt am Schulstandort entschieden werden. Damit sich auch für unbeliebte oder entlegene Standorte ausreichend Lehrer finden, wird die Landesschulbehörde wie bisher auch Lehrer zuteilen dürfen.

Die pädagogische und organisatorische Autonomie darf etwa dazu führen, dass beispielsweise achtzig Schüler eine Vorlesung gemeinsam besuchen, danach aber in Kleingruppen mit weniger als zehn Schülern pro Gruppe das Gelernte geübt wird.

KONTROLLE

So viel Freiheit braucht entsprechend viel Kontrolle. Das soll eine neue Schulaufsicht bewerkstelligen, die eng an das Ministerium gebunden sein. Die vorhandenen Bildungstests wie die Bildungsstandards der vierten und achten Schulstufe sollen dafür weiterentwickelt und massiv ausgebaut werden. Clusterleiter als auch Lehrer, die die Erwartungen nicht erfüllen, sollen zur Weiterbildung verpflichtet werden können, oder notfalls auch angezogen werden. Was mit Lehrern geschehen soll, die an allen Standorten abgelehnt werden, ist noch nicht entschieden. „Da müssen wir uns noch Gedanken machen, wie wir damit umgehen“, gibt Hammerschmid zu.

START DER REFORM

Einzelne „Leuchtturmstandorte“ sollen bereits im nächsten Schuljahr (2017/2018) damit beginnen. „Bis dahin müssen wir noch die nötigen Ausbildungslehrgänge für die Direktionen schaffen und die Schulaufsicht neu definieren“, erklärt die Ministerin. Und: Eine flächendeckende Umsetzung wird sicher zehn Jahre, bis 2027 dauern.

Enzenhofer gegen Zentralismus und Personalautonomie
Koalition einig: Ministerin Sonja Hammerschmied, Staatssekretär Harald Mahrer

Kommentare