"Menschen erwarten von SP-Politikern mehr Bescheidenheit als von anderen"
Barbara Novak hat eine der schwierigsten Aufgaben der Politik-Branche vor sich: Sie muss nach den SPÖ-Niederlagen auf Bundesebene den Wahlkampf der Wiener Sozialdemokraten managen. Novak will heimatlos gewordenen FPÖ-Wählern ein Angebot machen - aber ohne eine härtere Ausländerpolitik. Im KURIER sagt sie, wie.
KURIER: Frau Novak, welche Lehren ziehen Sie als Wiener SPÖ-Geschäftsführerin aus dem Wahlkampf?
Barbara Novak: Wir als SPÖ müssen unsere Themen so platzieren, dass man auch darüber redet. Die Grünen haben es im Nationalratswahlkampf verstanden, das Thema Klimaschutz zuzuspitzen und eine Klimakrise daraus zu machen. Dieses Zuspitzen muss uns in Wahlkämpfen auch gelingen. Das ist uns diesmal weder beim Wohnen noch bei der Pflege gelungen, obwohl beides wichtige Themen sind, die alle Menschen bewegen. Wir müssen lernen, unsere Anliegen mutiger und pointierter darzustellen.
Ich weiß, Sie sind die Geschäftsführerin der größten Stadtpartei. Aber haben Sie eine Erklärung, warum die SPÖ auf dem Land fast verschwindet?
Unsere Stärke sind die vielen Aktivistinnen und Vertrauensleute. Wir agieren nicht populistisch, sondern durch Argumente im persönlichen Gespräch. Wir haben politisch zu arbeiten gelernt, indem wir eine Position haben, und die wird dann durch die vielen Vertrauensleute bis in die kleinste Ortschaft hineingetragen. Auf dem Land gibt es immer weniger Menschen, die die Zeit finden, sich zehn, fünfzehn Stunden pro Woche politisch zu engagieren. Die sozialdemokratischen Assets der direkten Kommunikation gehen uns im ländlichen Raum immer mehr verloren.
Es gibt neue Kommunikationswege: Chats, Skype ...
Wir probieren das gerade aus, die virtuelle Sektion im 17. Bezirk. Es gibt jetzt auch eine SPÖ-Wien-App, die VictorApp. Ich gebe zu, diesbezüglich sind uns andere Parteien ein wenig voraus.
Gehen wir zu den Wählergruppen. Die SPÖ kann von den FPÖ-Verlusten kaum profitieren. Haben Sie die FPÖ-Wähler aufgegeben?
Mit Sicherheit nicht. Ich habe nicht vor, zuzuschauen, wie enttäuschte FPÖ-Wähler 1:1 zu Sebastian Kurz wechseln. Ich bin tief davon überzeugt, dass sich die Wünsche dieser Wähler im Bereich des Themas leistbares Leben abspielen. Kurz betreibt hingegen Klientelpolitik für Industrielle und Reiche.
Viele enttäuschte FPÖ-Wähler gehen wegen der strengen Migrationspolitik zu Sebastian Kurz.
Wien ist die Stadt des sozialen Zusammenhalts, wie der Bürgermeister immer sagt. Es geht um einen respektvollen Umgang miteinander und um Regeln, die für alle gelten. Wir werden uns nicht mit härterer Ausländerpolitik heimatlos gewordenen FPÖ-Wählern annähern. Wir werden den FPÖ-Wählern sagen, dass die SPÖ die Partei ist, die dafür sorgt, dass man nicht alleingelassen wird, wenn man etwas braucht: Gesundheitsversorgung, Pflege, Bildungschancen für die Kinder, offene Kindergärten. Sebastian Kurz hingegen enteignet die Arbeitnehmer in der Sozialversicherung, sodass dort nur noch die Arbeitgeber über die Gesundheitsleistungen bestimmen.
Wie reagieren Sie auf das starke Abschneiden der Grünen in Hinblick auf die Gemeinderatswahl 2020?
Die Comebackstory der Grünen war stark emotional. Die Grünen sollten aber nicht darauf vertrauen, dass bei der Gemeinderatswahl wieder alle grün wählen werden, die das bei der Nationalratswahl getan haben. Da werden die Karten neu gemischt.
Wäre eine Regierungsbeteiligung der SPÖ auf Bundesebene für Sie in Wien erfreulich oder nachteilig?
Ich beurteile jede Regierung danach, wie sie mit den Wienerinnen und Wienern umgeht. Türkis-Blau hat nichts ausgelassen, um Wien zu schaden. Kurz hat echtes Wienbashing betrieben. Wir haben viel Energie aufgewendet, um für die Interessen unserer Stadt zu kämpfen, auch um die Finanzen.
Zum Schluss noch die SPÖ und der Porsche. Warum fanden die Leute super, wenn Jörg Haider im Porsche fuhr, und regen sich auf, wenn ein Sozialdemokrat Porsche fährt? Finden Sie das gerechtfertigt?
Alle Politiker stehen unter Beobachtung, sozialdemokratische noch viel stärker. Die Menschen erwarten sich von SPÖ-Politikern mehr Bescheidenheit als von anderen. Bescheidenheit ist eine Tugend, die heutzutage gerade bei Personen, die in führender Position tätig sind, Vorbildwirkung entfaltet. Man braucht sich nur Bürgermeister Michael Ludwig anzuschauen: In seiner Bodenständigkeit und Bescheidenheit kommt er sehr gut bei den Wienerinnen an.
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