Ausbau der Ganztagsschule würde mehr Chanchengleichheit bringen
Je größer die Gemeinde, desto mehr Plätze in ganztägigen Schulformen werden angeboten. Das zeigt eine von Arbeiterkammer (AK) und ÖGB beauftrage Studie des KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung. Vom als von der Regierung ausgegebenen Ziel einer Betreuungsquote von 40 Prozent sind die meisten Bundesländer aber weit entfernt. Die Arbeitnehmervertretungen fordern daher mehr Mittel aus dem Bundesbudget und Kompetenzbereinigungen.
Die Regierung hat sich ursprünglich das Ziel gesetzt, bis Herbst 2022 für 40 Prozent der Pflichtschüler ein Betreuungsangebot zu schaffen - später wurde der Zeitrahmen bis 2025 verschoben. Derzeit (Zahlen für Sechs- bis Neunjährige: 2020/21, für Neun- bis 13-Jährige: 2019/20) erreichen dieses Ziel nur Wien mit (schulische und außerschulische Angebote wie Horte zusammengerechnet) 51 Prozent und das Burgenland mit 40 Prozent. Kärnten und Vorarlberg (jeweils um die 30 Prozent) seien auf einem guten Weg, sagt AK Wien-Chefökonom Markus Marterbauer bei einer Pressekonferenz am Freitag, der Rest falle aber deutlich zurück. Das Schlusslicht Tirol rangiert sogar unter 20 Prozent.
In einer weiteren Auswertung wurde der Zusammenhang der Gemeindegröße mit dem Betreuungsgrad analysiert. Ergebnis: In Gemeinden mit weniger als 2.500 Einwohnern beträgt die Betreuungsquote 26 Prozent, in den Gemeindegrößen zwischen 2.501 und 5.000, 5.001 bis 10.000 bzw. 10.001 und 20.000 liegt sie jeweils bei knapp unter 25 Prozent. Bei 20.001 bis 50.000 Einwohnern steigt sie dann auf 28 Prozent, um erst bei einer Größe von über 50.000 auf 38 Prozent anzuwachsen. Extra ausgewertet wurde Wien, wo die Hälfte der Kinder bis 13 Jahre einen Platz in einer ganztägigen Schulform bzw. einem Hort haben. Das Beispiel Burgenland zeige aber etwa, dass es auch in kleinen Gemeinden funktionieren könne, betonte Marterbauer.
Die Gemeinden sehen auch durchaus die Vorteile der ganztägigen Angebote: 92 Prozent jener Kommunen, die darüber verfügen, orten laut Studie eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, 87 Prozent eine Attraktivierung als Wohn- und Betriebsstandort und 80 Prozent mehr Chancengleichheit für Kinder.
Auch aus ökonomischer Sicht sei der Ausbau der Tagesbetreuung eine "Win-win-Situation", betonte Marterbauer. In relativ kurzer Frist kämen durch den Rückfluss aus Steuern und Beiträgen wieder 70 Prozent der Kosten herein. Außerdem sei der Ausbau eine Investition in die berufliche Zukunft junger Frauen, etwa im Pflege- und im Schulbereich selbst, sowie ein Mittel gegen Abwanderung.
Als finanzielle Hürde sahen die Gemeinden vor allem die Finanzierung des laufenden Betriebs. Vom Bund gibt es vor allem eine Anschubfinanzierung sowie eine Betriebsfinanzierung für neugeschaffene Plätze. Weitere Mittel hängen am Erreichen einer Betreuungsquote. Problematisch sind laut Marterbauer auch die unterschiedlichen Zuständigkeiten für Vormittagsunterricht, Nachmittagsbetreuung und Bereiche wie etwa Qualitätssicherung im föderalen System. Für sinnvoll würde er auch die Umstellung auf einen aufgabenorientierten Finanzausgleich halten. Dabei erhalten Gemeinden Mittel nicht allein aufgrund ihrer Bevölkerungszahl, sondern wenn sie in bestimmte Bereiche wie etwa Ganztagsbetreuung investieren.
AK und ÖGB fordern außerdem insgesamt 150 bis 200 Mio. Euro jährlich für den Ausbau von Ganztagsschulen - abgedeckt werden müssten sowohl Investitionen als auch laufende Kosten. Nötige Lehr- bzw. Betreuungskräfte könne man durchaus finden, meinte AK-Direktorin Silvia Hruska-Frank. "Es gibt viele Menschen, die mit Mitte 40 sagen, ich möchte was anderes machen als einen Bürojob." Wenn diese mit entsprechender Bezahlung einsteigen könnten, wäre dies durchaus attraktiv. Außerdem brauche es gerade für Eltern auch die geeigneten Rahmenbedingungen, so ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann - und die würden mit den nötigen Kindergartenplätzen beginnen.
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