Abschied von der "Willkommenskultur"

VP-Chef Mitterlehner ist für Obergrenze, Faymann für europäische Lösungen.
SPÖ und ÖVP sind sich einig, dass weniger Asylwerber ins Land kommen sollen. Wie das gelingen soll, ist umstritten.

Fast 90.000 Menschen haben vergangenes Jahr in Österreich um Asyl angesucht. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner geht davon aus, dass das in diesem Jahr bis zu 120.000 tun werden.

"Grenze schon erreicht"

Zu viele seien das, darin sind sich SPÖ und ÖVP einig. Fortan sollten weniger Flüchtlinge in das Land gelassen werden – und hier bleiben dürfen. Wie das bewerkstelligt werden soll, wird unterschiedlich gesehen. Die ÖVP will eine Obergrenze. Mikl-Leitner in Richtung SPÖ-Kanzler Werner Faymann: "Es braucht eine Absage an die grenzenlose Willkommenskultur." Bei wie vielen Menschen das Limit liegen soll, sagen weder Mikl-Leitner noch ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Vor allem an den Quartiermöglichkeiten solle es sich orientieren. "Wir haben jetzt schon die Grenze erreicht."

Selbst "die Kriegsflüchtlinge" kämen "aus Gründender ökonomischen Optimierung" nach Österreich,Deutschland und Schweden, "obwohl sie vorher durch sichereStaaten wie Slowenien und Kroatien gereist sind", befindet Mitterlehner.

Grenzen stärker kontrollieren

Die SPÖ will an den heimischen Grenzen besser kontrollieren, um Wirtschaftsflüchtlinge zu stoppen. Wie soll das vonstattengehen? Das kann Faymann noch nicht sagen: Das Innen-, Außen- und Verteidigungsministerium sowie der Verfassungsdienst des Kanzleramts würden nun prüfen, "welche rechtlichen Spielräume wir haben". Auf eine "europäische Lösung" drängt Faymann neuerlich: "Wir müssen ein europäisches Asylrecht schaffen, Aufnahmezentren an den Außengrenzen, wenn möglich auch schon in der Türkei, einrichten."

Für Mitterlehner ist das illusorisch: Ob Hot-Spots oder gerechte Verteilung via Quote – "nicht einmal ansatzweise" gehe da etwas weiter, sagt Mitterlehner: "Damit landen wir bei nationalen Maßnahmen."

Nein zu Obergrenze

Faymann hält nichts von einer Obergrenze: "Wir sind in einem Rechtsstaat. Da entscheiden Richter und Behörden, nicht Politiker über Asylverfahren. Es gibt keine Obergrenze für das Asylrecht für Menschen nach der UN-Konvention." Die "Rückführung" von Menschen, die keinen Asylstatus haben, sei "ernster zu nehmen". Es seien mehr Rückführungsabkommmen mit diversen Ländern nötig.

Abschiebungen schwierig

In der ÖVP wird gekontert, es gebe bereits 39 zwischenstaatliche bzw. von der EU initiierte Abkommen. Im Innenministerium wird erklärt, dass Menschen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, trotz Rückführungsabkommen nur dann in die Heimat gebracht werden können, wenn sie einen gültigen Reisepass haben (was selten ist) oder die Botschaft ein Heimreisezertifikat ausstellt. Manche Länder seien wenig kooperativ. Sie würden beispielsweise keine Dokumente liefern, weil sie häufig die Identität einer Person anzweifeln würden. Dazu kommt, dass in unsichere Länder wie Syrien, Afghanistan und Irak derzeit niemand abgeschoben wird. Zu Faymanns Vorstoß, schon an der Grenze sollte zwischen Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen unterschieden werden, heißt es im Innenressort: Das sei nur im Rahmen eines Asylverfahrens möglich.

Die EU-Kommission drängt vehement auf einheitliche Regeln in der Asyl- und Flüchtlingspolitik. „Das absolut Wichtigste ist die Sicherung der EU-Außengrenze. Wir können nicht mehr bis Juni warten, wie es die Regierungschefs beim Dezember-Gipfel vereinbart haben“, sagt Johannes Hahn. Er verlangt Tempo, weil „sichere Außengrenzen das Um und Auf bei der Migration sind“.

Im Gespräch mit österreichischen EU-Korrespondenten fordert der für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik zuständige Kommissar von der Türkei, endlich zu liefern.

"Der Grenzschutz muss viel effizienter werden, das Schlepper-Business wirklich bekämpft und das Gesetz, wonach syrische Flüchtlinge arbeiten dürfen, muss rasch beschlossen werden.“

Bedingungen

Was die Beschleunigung der Visa-Liberalisierung für Türken angehe, hänge diese von der Erfüllung der dafür nötigen Bedingungen ab. Mit der Visa-Liberalisierung ist die Türkei aber auch verpflichtet, Flüchtlinge, die kein Recht auf Asyl in der EU haben, zurückzunehmen.
Die Kommission will den Flüchtlingsstrom nach Europa deutlich einschränken, von einer Obergrenze ist aber in Brüssel keine Rede. Im März legt die Kommission eine Reform des Dublin-Systems sowie einen Plan für legale Einwanderung vor.

Hahn betont, dass neben sicheren Außengrenzen (die EU schickt mehr Frontex-Beamte und kann direkt bei säumigen Ländern intervenieren) das Funktionieren der Hotspots, die Registrierung der Flüchtlinge, die Aufteilung der Asylwerber auf alle Mitgliedstaaten sowie die Differenzierung zwischen Schutzbedürftigen und Wirtschaftsflüchtlingen ein zentraler Punkt sei.

Nüchtern stellt dazu der Direktor des Brüsseler Think Tank CEPS, Daniel Gros, fest: „Das Problem ist die Umsetzung der Beschlüsse durch die Mitgliedsländer.“
Stefan Lehne von Carnegie-Europe sieht die „Sicherung der EU-Außengrenze mit der Verteilung der Flüchtlinge gekoppelt. Da gibt es keine Alternative.“
M. Kopeinig, Brüssel

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