Korruptionsexperte findet Wöginger-Diversion "verwunderlich"

PK "UNABDINGBARES ZUR GRÜNDUNG EINER BUNDESSTAATSANWALTSCHAFT": KREUTNER
Vertrauen in Politik und Staat habe Schaden genommen. Für Koalition ist Causa erledigt.

Zusammenfassung

  • Korruptionsexperte Martin Kreutner kritisiert die Diversion für August Wöginger und zwei Finanzbeamte im Postenschacher-Prozess als verwunderlich.
  • Trotz zahlreicher Beweise wurde das Verfahren eingestellt, alle Angeklagten bleiben unbescholten und müssen Geldbußen zahlen.
  • Kreutner sieht einen erheblichen Vertrauensverlust in Politik und staatliche Institutionen als Schaden für die Demokratie.

Der Prozess um den Postenschacher in der Causa Finanzamt Ried-Schärding-Braunau ging am Dienstag überraschend schnell zu Ende. Der wegen Missbrauch der Amtsgewalt angeklagte ÖVP-Klubchef August Wöginger und zwei weitere angeklagte Finanzbeamte bekamen eine Diversion. Sie müssen Geldbußen zahlen, Wöginger etwa 44. 000 Euro. Die drei Angeklagten müssen symbolisch 500 Euro an die durch den Postenschacher benachteiligte Finanzbeamtin Christa Scharf zahlen.

Das Verfahren wird eingestellt. Alle Angeklagten bleiben unbescholten. 

Und genau deshalb wird nun Kritik von Anti-Korruptionsexperten, etwa Martin Kreutner, laut. "Gerichtsurteile sind zu akzeptieren", sagt Kreutner im Ö1-Morgenjournal. Aber alle Beweise - etwa die Aussage von Thomas Schmid, das Gerichtsurteil der Benachteiligten, sowie Chats - seien auf dem Tisch gelegen. "Noch nie habe es so viele Beweise gegeben", hieß es von Vertretern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Prozess in Linz am Dienstag. 

Die WKStA sei mit der Aussage in den Prozess gegangen, dass es sich hierbei nicht um ein Kavaliersdelikt handle. "Und dann, zwei Stunden später, wurde es (durch den Entscheid zur Diversion, Anm.) de facto bestätigt, dass es ein Kavaliersdelikt sei. Das ist etwas verwunderlich", sagt Kreutner dem ORF-Radio. 

Schaden: Vertrauensverlust in staatliche Institutionen

Unverständlich ist für Kreutner auch die Feststellung der Richterin, dass durch den Postenschacher kein großer Schaden entstanden sein. "Ich beginne hier mit dem Vertrauensverlust in die staatlichen Institutionen, Vertrauensverlust in die Regierung, Vertrauensverlust in das öffentliche Mandat", führt Kreutner den Schaden an, der durch Postenschacher abseits der direkt Geschädigten für die Demokratie entstehe. 

Die Koalition äußerte sich am Mittwoch am Rande des Ministerrates zur Diversion. Die Causa gelte zwar als erledigt, allerdings hielten sich sowohl Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) als auch Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) nicht mit Kritik zurück. 

"Kein Kavaliersdelikt"

Einerseits wolle sie die gerichtliche Entscheidung nicht kommentieren, so Meinl-Reisinger. Andererseits habe die Justiz "ein Signal gesetzt", auch mit den Ermittlungen und der Einleitung des Verfahrens. Es sei kein "Kavaliersdelikt". Und die jetzige Regierung habe sich im Koalitionsvertrag zu einem "anderen Stil" bekannt, und zwar Besetzungen "transparent und nicht in Sidelettern" durchzuführen: "Wir NEOS reden einer anderen Kultur das Wort."

Besetzungskommission soll künftig transparent vorgehen

Für Marterbauer ist "relevant, dass es hier um die Besetzung eines Finanzamtes gegangen ist". Daher wolle man nun "alles dafür tun", dass die Besetzungskommissionen künftig transparent und objektiv vorgehen müssen. ÖVP-Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl hielt einmal mehr fest, dass Wöginger die Verantwortung übernommen und die Diversion, die ihm angeboten worden sei, angenommen habe. "Damit ist das Thema abgeschlossen."

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