August Wöginger bei Postenschacher-Prozess: "Es tut mir wirklich leid"

August Wöginger ist generell ja kein emotionsarmer Mensch. Der Innviertler kann schimpfen und lachen, er kann im breitesten Dialekt über die Jugend herziehen, die nach Wien geht und Grün wählt; und auch mit vor Rührung feuchten Augen haben Kameras ihn schon eingefangen.
Bei seinem Prozess in Linz am Dienstag: nichts davon. (Ticker-Nachlese: Wöginger kam bei Postenschacher-Prozess mit Diversion davon). Der wegen Amtsmissbrauchs angeklagte ÖVP-Klubchef sagte nur das Nötigste, die Stimme monoton, nicht einmal eine Grübelfalte zeichnete sich auf seiner Stirn ab.

August Wöginger bei Gericht
Februar 2017 Beim Hearing für den Vorstandsjob beim Finanzamt in Braunau wird Michael L., ein ÖVP-Mann, erstgereiht. Wie sich später herausstellen sollte, hat Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid auf die Kommission eingewirkt – L.s Aufstieg soll „ausdrücklicher Wunsch“ von August Wöginger gewesen sein.
Frühjahr 2017 Die unterlegene Bewerberin Christa Scharf wehrt sich, die Gleichbehandlungskommission im Bund und das Bundesverwaltungsgericht bestätigen eine Diskriminierung. Die Republik zahlt Schadenersatz. Scharf erstattet Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen die Kommission.
Februar 2022 Chats zwischen Schmid und Wöginger tauchen auf, die WKStA übernimmt den Fall. Wöginger wird als Nationalratsabgeordneter ausgeliefert, gegen ihn wird als Bestimmungstäter ermittelt. Im Mai 2025 folgt die Anklage.
Nach weniger als vier Stunden war das Spektakel schon wieder vorbei. Diversion für alle, auf Wiederschauen.
Dabei waren die Erwartungen enorm. Die WKStA hatte im Eröffnungsplädoyer geschildert, dass es in Österreich zahlreiche Fälle von Postenschacher gebe, es aber kaum einer zur Anklage schaffe. Dass dieser Fall "grundlegend" anders sei, dass so viele Beweise vorlägen wie noch nie. 31 Zeugen waren geladen worden, elf Tage waren anberaumt.

Oberstaatsanwälte Roland Koch und Georg Kasinger
Abseits des Dienstwegs
Zum Sachverhalt in aller Kürze: 2017 war der Vorstand des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding nachzubesetzen. Michael L., ÖVP-Bürgermeister einer kleinen Gemeinde im Mühlviertel, interessierte sich für den Job. Er wandte sich, nachdem er bei einem früheren Hearing durchgefallen war, an Parteifreund Wöginger. Seine Bewerbungsunterlagen fanden also nicht nur über den Dienstweg, sondern auch über einen mächtigen und einflussreichen Politiker den Weg ins Finanzministerium.
Wöginger gab die Unterlagen nämlich Generalsekretär Schmid, der in weiterer Folge auf die Begutachtungskommission eingewirkt hat. In regem Kontakt stand er da mit Herbert B. (im Prozess war er Zweitangeklagter). Er soll L. besser bewertet haben, als dessen Qualifikation hergab, ebenso Siegfried M. (Erstangeklagter), der als Vorsitzender im Hearing durch seinen "forschen" Fragestil dafür gesorgt haben soll, dass eine andere Bewerberin, Christa Scharf, ins Strudeln geriet.
Sie war zu dem Zeitpunkt gerade interimistische Leiterin des Finanzamts und L.s stärkste Konkurrentin. Scharf hatte im Prozess Opferstatus und bekam symbolisch als Entschädigung dreimal 500 Euro zugesprochen. Ihr Rechtsvertreter war mit der Diversion nicht einverstanden.

Richterin Melanie Halbig
„Innere Umkehr“
Die WKStA hingegen hatte keine Einwände – diese Form der Erledigung ohne Schuldspruch und Strafe sei "gerade noch möglich", sagte Oberstaatsanwalt Roland Koch, der in Wögingers knappem Statement auch die dafür erforderliche "innere Umkehr" herauszuhören vermochte.
Eine ziemlich spontane Umkehr war das. Wöginger hatte – wie Siegfried M. und Herbert B. – stets seine Unschuld beteuert. Am Vortag reichten die Beamten überraschend eine "Verantwortungsübernahme" bei Gericht ein, dem schloss sich Wöginger beim Prozess mündlich an. "Ich sehe die Sache heute mit ganz anderen Augen als vor neun Jahren. Wenn ich damals schon gewusst hätte, was mein Handeln nach sich zieht, hätte ich es nicht gemacht", sagte er. Und: "Es tut mir wirklich leid."
Das überzeugte auch Melanie Halbig, die vorsitzende Richterin des Schöffengerichts. Zudem sei der Sachverhalt hinreichend geklärt – was einem Lob für die WKStA gleichkommt. Die Causa ist "ausermittelt", es sind keine Fragen mehr offen.

KOALITIONSVERKANDLUNGEN 2025: August WÖGINGER / Christian STOCKER / Alexander PRÖLL
Medien als Abschreckung
Halbig richtete noch mahnende Worte an alle Angeklagten und Angehörige ihrer Zunft. Es habe sich in der Politik ein "System" entwickelt, aber jeder habe es "selbst in der Hand, ob er dabei mitwirkt oder nicht". Die Republik habe das Recht auf die Bestellung des bestgeeigneten Bewerbers, die Bewerber ein Recht auf eine faire und objektive Beurteilung ihrer Fähigkeiten. Unsachliche Erwägungen – etwa parteipolitische – dürften keine Rolle spielen. Wenn das in der Bevölkerung noch nicht so angekommen sei, "dann steht es jetzt fest", betonte Halbig: durch das lange Ermittlungsverfahren, die Hauptverhandlung und nicht zuletzt durch die große mediale Aufmerksamkeit, die „Sanktionscharakter“ und einen generalpräventiven – sprich: abschreckenden – Effekt habe. Durch die Diversion werde in keiner Weise etwas bagatellisiert, betonte sie. Wohl vorausahnend, dass viele dieses Ende nicht sehr befriedigend finden.
Fix ist es ohnehin noch nicht. Die WKStA merkte an, dass von ihren Oberbehörden noch eine Weisung kommen könnte, eine Beschwerde einzulegen. Die Angeklagten akzeptierten jedenfalls das Angebot: Der ÖVP-Klubchef soll 44.000 Euro zahlen, Siegfried M. 17.000 , Herbert B. 22.000.
Zum Schluss ließ Wöginger doch eine Emotion erkennen: "Ich bin froh", sagte er, "dass das für mich erledigt ist." Das sieht übrigens auch sein Parteichef Christian Stocker so, wie dieser wissen ließ.
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