Aufsässige Minister und allwissende Götter

Aufsässige Minister und allwissende Götter
Die letzte Sitzung des Ministerrats endete wie üblich im Streit, die koalitionären Bande zwischen SPÖ und ÖVP lösen sich auf. Das macht Beschlüsse im Nationalrat zum unvorhersehbaren Ereignis.

Mittwoch, acht Uhr früh im Kanzleramt. Vor dem Gebäude die Baustelle, wo die Poller zum Schutz vor Terrorattacken eingegraben werden.

Im Gebäude eine Baustelle namens große Koalition, in der die Gräben zwischen SPÖ und ÖVP immer tiefer werden. Es war die planmäßig letzte Sitzung dieser Regierung, und sie dauerte kaum 15 Minuten. Als die letzten Sitzungsteilnehmer im Saal eintrudelten, verließen ihn die ersten bereits wieder.

Wortführer Sobotka

"Skurril" nannte ein Teilnehmer die Debatte hinter verschlossenen Türen. "Wenn Sebastian Kurz nicht da ist, führt Wolfgang Sobotka das große Wort." Sozialminister Alois Stöger antwortete auf die KURIER-Frage, wie der letzte Ministerrat gewesen sei: "Es war – wie üblich – Sobotka aufsässig."

Der Streit zwischen SPÖ und ÖVP drehte sich darum, wer welchen Gesetzesinitiativen in letzter Sekunde noch zustimmt.

Auf zwei Punkte einigte man sich: Der Ausbau der Kindergärten wird über das Jahresende hinaus finanziell gesichert; und die Banken-aufsicht wird reformiert.

Alles andere blieb im parteipolitischen Gestrüpp hängen. Sobotka brachte sein Sicherheitspaket bei der SPÖ ebenso wenig durch wie die SPÖ ein neues Mietrecht und ein Glyphosatverbot bei der ÖVP.

Initiativer Nationalrat

Um neun Uhr begann der Nationalrat zu tagen, erstmals im Ausweichquartier im großen Redoutensaal. "Je weniger sich die Regierung bewegt, umso initiativer wird das Parlament werden", prophezeite SPÖ-Klubchef Andreas Schieder. Während nämlich die ÖVP die SPÖ im Nationalrat weiterhin nicht überstimmt, versucht die SPÖ, andere Mehrheiten für ihre Anliegen zu finden – mit ungewissem Ausgang. Vizekanzler Wolfgang Brandstetter beschrieb die Situation in der Früh so: "Was das Parlament beschließen wird, wissen nur die Götter."

In der Europastunde des Nationalrats zeichnete sich eine Mehrheit von SPÖ, FPÖ und Grünen ab, Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter verbindlich aufzutragen, in der EU für ein Verbot des Unkrautvertilgers Glyphosat zu stimmen.

FPÖ und Neos stellten gemeinsam einen Antrag, die kalte Steuerprogression abzuschaffen, blitzten aber bei SPÖ und ÖVP ab.

Für den Antrag der SPÖ, die Mieten auf einen Richtwert von 5,50 € pro Quadratmeter (plus Zuschläge) abzusenken, gibt es von FPÖ, ÖVP und Neos keine Zustimmung. Sie argumentieren, die beste Mietpreissenkung sei ein großes Angebot auf dem Wohnungsmarkt, Mietbegrenzungen würden das Gegenteil bewirken, weil sie die Investitionslust drosseln.

Zur Abstimmung standen auch Anträge, wonach die Wohnbauförderung wieder zweckgebunden wird (derzeit steht sie zur freien Verfügung der Landeshauptleute), und die Rechte von Arbeitern und Angestellten angeglichen werden. Für Letzteres ist auch die ÖVP, aber unter Einbeziehung der Sozialpartner.

SPÖ lobt Schelling

Offiziell stand der Bundesrechnungsabschluss 2016 auf der Tagesordnung. Einem Bundesvermögen von 91 Milliarden stehen Finanzschulden und andere Verbindlichkeiten von 253 Milli-arden gegenüber, ergibt einen Negativsaldo von 162 Milliarden. "Beim Bundesrechnungsabschluss gibt es nichts zu beschönigen. Der negative Trend setzte sich 2016 leider fort", sagte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. SPÖ-Abgeordneter Christoph Matznetter hingegen lobte Finanzminister Hans Jörg Schelling, dieser habe trotz Steuerreform und Senken der Abgabenquote auf 42,7 Prozent ein respektables Ergebnis zustande gebracht. Matznetter warf der ÖVP vor, Schelling durch Josef Moser, Andreas Schieder warf der ÖVP vor, Schelling durch Wolfgang Sobotka ersetzen zu wollen.

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