Asylgipfel: Was SPÖ und ÖVP unterscheidet

Derzeit sind weniger Flüchtlinge auf der Balkan-Route unterwegs.
Weniger Flüchtlinge – aber wie? Darüber debattiert die Regierung am Mittwoch mit den Länderchefs.

Rund 90.000 Asylwerber sind im vergangenen Jahr nach Österreich gekommen. 2016 sollen es weniger sein – darin sind sich Rot und Schwarz einig.

Wie das gelingen soll, darüber werden SPÖ und ÖVP bei einem Asylgipfel am Mittwoch im Bundeskanzleramt diskutieren. Kanzler Werner Faymann hat Regierungskollegen, Landeshauptleute sowie Städte- und Gemeindebund eingeladen, um einen gemeinsamen Nenner zu finden. Im KURIER-Interview appelliert der Regierungschef an alle Beteiligten: "Wir brauchen einen nationalen Schulterschluss, die Regierung muss mit allen positiven Kräften zusammenarbeiten. Die Bevölkerung will nicht wissen, wer der Oberg’scheitere ist, sondern ob es eine g’scheite Lösung gibt – und die muss es geben" (siehe Faymann und Mitterlehner im O-Ton unten).

Deckungsgleichheit

Die SPÖ ist im Vorfeld des Flüchtlingsgipfels bemüht, hervorzustreichen, dass es mehr Gemeinsamkeiten in den Positionen der beiden Regierungspartner gebe, als es nach außen hin den Anschein habe. "In fünf Punkten gibt es Deckungsgleichheit", stellte Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser gestern im ORF-Radio fest.

Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gab sich auf KURIER-Anfrage zuversichtlich, dass es beim Gipfel zu konkreten Ergebnissen kommen wird. "Die SPÖ-Kurskorrektur war überfällig, das sollte eine Einigung erleichtern." Tatsächlich haben Faymann & Co in den vergangenen Tagen ihre Linie etwas verschärft.

Überschneidungen und Differenzen

Wo gibt es Überschneidungen? Wo ist man sich teilweise einig? Wo gibt es Differenzen? Ein Überblick:

Verschärfte Grenzkontrollen ÖVP und SPÖ sind dafür, dass die Kontrollen an der Grenze intensiviert werden. Es sollen nicht mehr alle Flüchtlinge ins Land einreisen dürfen. (siehe Bericht Seite 3). Ob auch Präsenzdiener an die Grenze kommen sollen, werde "in der kommende Woche nach Beratung mit dem Generalstab entschieden", sagte der künftige Verteidigungsminister, Hans Peter Doskozil, zum KURIER.

Rot und Schwarz plädieren auch dafür, dass die EU-Außengrenzen effektiv geschützt werden. Das dürfte allerdings noch länger nicht funktionieren.

Mehr Abschiebungen Beide Parteien befinden, dass mehr Menschen, die keinen Asylstatus in Österreich bekommen, in ihre Heimatländer zurückgebracht werden müssen.

Humanitäre Hilfe Dass Österreich die Krisenregionen weiterhin unterstützen muss, ist beiden Parteien klar.

Hotspots Längerfristig ist das Ziel, dass Asylanträge an den EU-Außengrenzen bzw. außerhalb der EU gestellt werden. Das befürworten beide Regierungsparteien, die Umsetzung lässt freilich auf sich warten. Daher drängt die ÖVP darauf, nationale Schritte zu setzen.

Asylverfahren Rot und Schwarz möchten, dass die Verfahren rascher abgewickelt werden. Die ÖVP will das Asylrecht allerdings auch noch verschärfen: So soll der Asylstatus nur befristet gewährt und nach drei Jahren überprüft werden. Und der "Familiennachzug" soll eingeschränkt werden. Die SPÖ ist da noch skeptisch.

Sozialleistungen Beide Koalitionäre sind dafür, dass ein Teil der Sozialleistungen als Sachleistungen (statt Geld) gewährt wird (z. B. Lebensmittelgutscheine). "Ja zu mehr Sachleistungen, dabei werden wir mitwirken", bestätigt auch Faymann dem KURIER. Die ÖVP drängt allerdings auch darauf, dass die Mindestsicherung gedeckelt wird. Eine Familie sollte im Monat nicht mehr als 1500 Euro erhalten. Die SPÖ ist dagegen. Sozialsprecher Josef Muchitsch sagt, es wäre verfassungswidrig, wenn man nur Flüchtlingen die Mindestsicherung kürzen würde. Und wenn man die Mindestsicherung generell deckeln würde, wären auch einkommensschwache, heimische Familien betroffen.

Obergrenze Die ÖVP will eine "kapazitätsorientierte Obergrenze" festlegen. Diese soll sich u. a. an der Zahl der vorhandenen Flüchtlingsquartiere orientieren. Der Grazer ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl appellierte gestern an die Regierung, ein Kontingent festzulegen (das kann per Online-Plattform unterstützt werden). Für ihn liegt die Grenze bei 100.000 Menschen. Die SPÖ lehnt eine Obergrenze nach wie vor ab. "Eine Obergrenze für Kriegsflüchtlinge ist nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar", sagt Doskozil. Auch Faymann betont, Asyl sei "ein Recht, kein Gnadenakt".

Wartezonen/Transitzonen Die ÖVP denkt auch an Wartezonen an der Südgrenze, für den Fall, dass die (noch nicht festgelegte) Obergrenze überschritten wird. Faymann verweist diesbezüglich an Doskozil. Der angehende Heeresminister kann derartigen Zonen etwas abgewinnen, wenn sie mit Slowenien koordiniert sind.

„Wir werden an der Grenze stärker kontrollieren, das hat das Innenministerium auszuführen, da muss die Regierung dahinterstehen.“
Kanzler Werner Faymann (SPÖ)

„So lange Europa kein Tempo macht, muss Österreich die nationalen Maßnahmen verschärfen. Vereinbaren wir daher gemeinsam die notwendigen Maßnahmen und Konzepte – und das möglichst rasch.“
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP)

„Wir brauchen einen nationalen Schulterschluss, die Regierung muss mit allen positiven Kräften zusammenarbeiten. Die Bevölkerung will nicht wissen, wer der Oberg’scheitere ist, sondern ob es eine g’scheite Lösung gibt – und die muss es geben.“
Faymann

„Wir müssen Grenzen setzen, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen und Österreichs Kapazitäten nicht zu überfordern. Stichwort kapazitätsorientierte Obergrenze, die in Abstimmung mit den Ländern erarbeitet werden soll.“
Mitterlehner

„Ich habe mich immer geweigert, eine Zahl bei Kriegsflüchtlingen festzulegen. Es geht um Quartiere – und da haben wir mehr, wenn wir jene, die kein Asylrecht bekommen, schnell außer Landes bekommen. Ich will nicht über Begriffe streiten, das war schon bei den Zäunen ein Problem. Eine Obergrenze ist jeweils die Grenze, die man zur Stunde an Quartieren zur Verfügung hat. Aber beim Asyl handelt es sich um ein Recht und um keinen Gnadenakt.“
Faymann

„Wir müssen die Attraktivität Österreichs als Zielland für Flüchtlinge senken. Daher als erste Schritte ,Asyl auf Zeit‘ umsetzen, zusätzlich den Familiennachzug einschränken und die Mindestsicherung reformieren.“
Mitterlehner

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