Niessl will, dass Ungarn Flüchtlinge wieder zurücknimmt

Burgenlands Landeschef Niessl drängt auf Rückführungen.
Innenminister Wolfgang Sobotka stellte klar: Derzeit gibt es nicht 11.000, sondern 18.950 Asylanträge. Burgenlands Landeshauptmann Niessl kritisiert, dass die Regierung bei Abschiebungen säumig war.

Vielleicht ist das nun der neue Stil der Koalition. Nur 48 Stunden statt wie üblich mehrere Tage dauerte die Auflösung des Kuddelmuddels über die Leseart der Asylbilanz. Am Dienstag nach dem Ministerrat löste Kanzler Christian Kern das Malheur aus, als er die Zahl von 11.000 Asyl-Anträgen nannte. Donnerstagvormittag entwirrte Innenminister Wolfgang Sobotka das Zahlenknäuel. Am Ende der Pressekonferenz fügte er unmissverständlich hinzu: "Das ist die einzig zulässige Leseart."

Und die schaut nun so aus: 18.950 Flüchtlinge sind derzeit zum Asylverfahren zugelassen – inklusive 6689 Anträgen aus dem Jahr 2015, die erst heuer akzeptiert wurden. In der Warteschleife hängen noch weitere 10.039 sogenannte Dublin-Fälle, die aber auch zum Asyl-Verfahren zugelassen werden müssen, wenn sie nach sechs Monaten nach Eintreffen weiter im Land sind.

Niessl will, dass Ungarn Flüchtlinge wieder zurücknimmt

Mit dieser Asylbilanz scheinen nun auch weite Teile der Kanzler-Kritiker aus der ÖVP befriedet zu sein. Aus dem Büro von Außenminister Sebastian Kurz heißt es, man fühlt sich nun bestätigt, denn man sei immer von rund 20.000 Asylanträgen ausgegangen. Auch ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel, der am Mittwoch dem Kanzler noch ausrichtete, dass er gleich "abdanken soll", wenn er die Obergrenze "aufweichen" will, zeigte sich versöhnlich: "Ich hoffe, dass jetzt alle wieder auf einer Linie sind."

Auch der Scharfmacher in Sachen Asyl in der SPÖ Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl meinte, dass das "Missverständnis nun aus der Welt geräumt sei". Niessl warnte aber gleichzeitig, dass ein Fall trotz der neuen Rechenart nicht eintreten dürfe: Dass am Ende des Jahres zwar die Obergrenze der zugelassenen Asylanträge nicht überschritten wird, aber tatsächlich weit mehr als 37.500 Flüchtlinge in Österreich aufgenommen wurden, obwohl sie aus einen sicheren Drittland eingereist sind. "Es kann nicht sein, dass die Dublin-Fälle nicht in die Quote eingerechnet werden und auch nicht zurückgebracht werden", kritisiert Niessl.

"Ungarn wie Türkei"

Kanzler Kern (SPÖ) verteidigte gestern bei seiner Antrittsrede im Bundesrat, warum die Dublin-Fälle nicht für die Obergrenze relevant sind: "Es gibt Stimmen, die meinten, die werden wir ohnehin nicht los. Das können wir nicht akzeptieren." Man müsse Vorkehrungen treffen, dass diese Fälle in den Nachbarländern behandelt werden. In diesem Punkt sind der Kanzler und sein mächtiger Landeshauptmann d’accord.Doch wie sollen die seit Jahren bestehenden Hürden bei Abschiebungen und Rückführungen plötzlich aus der Welt geschafft sein? Im ersten Quartal 2016 gab es magere 400 Dublin-Rückführungen. Insgesamt wurden bis jetzt nur 2800 Abschiebungen vollzogen. "Das muss sich ändern. Es ist eine Legende, dass Ungarn kein sicherer Drittstaat ist. Wenn es ein Rückführungsabkommen mit der Türkei gibt, dann ist Ungarn allemal geeignet. Hier waren die früheren Regierungsmitglieder säumig. Da erhoffe ich mir vom neuen Innenminister mehr Elan", so Niessl. Er nimmt neuerlich auch Sebastian Kurz in die Pflicht. "Wenn es die Schweden zustande bringen, ein Abkommen über die Rücknahme von 400 Marokkanern abzuschließen, dann sollte das dem Außenminister auch gelingen."

Mit Jobkrise am Limit

Dass der Maximalwert von 37.500 zugelassenen Asylanträgen erst gar nicht erreicht wird, wünscht sich Innenminister Sobotka. Der ÖVP-Minister will noch vor dem Sommer, spätestens aber Anfang September nach einer Begutachtung mit dem Hauptausschuss des Nationalrats jene Notverordnung festlegen, mit der das Stellen von Asylanträgen deutlich erschwert werden soll.

Für den Innenminister stellen schon die steigenden Arbeitslosenzahlen einen ausreichenden Grund für den Beschluss der Notstandsverordnung dar. "Ich denke, diese Zahlen sprechen für sich", so Sobotka. Deutlich defensiver war da Kern, der vor "Horrorbildern" warnte und betonte, kein Freund davon zu sein, "einen Notstand zu konstruieren, wo keiner vorliegt". Schwierig wird es auch, vor der EU zu argumentieren, warum die Systeme im Land am Limit sind.

"Ich weiß ja nicht, wo genau der Fehler lag, aber in einem Punkt gebe ich Hans Peter Doskozil Recht: So, wie man mit dem Thema umgegangen ist, sollte man es jedenfalls nicht machen. Das war ein Flop, und eine öffentliche Auseinandersetzung schafft nur eines, nämlich: Die Menschen bleiben irritiert zurück." Fritz Neugebauer, gewichtiger ÖVP-Funktionär und Präsident der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), übt im KURIER-Gespräch deutliche Kritik daran, wie die Regierungsspitze mit den neuesten Asylzahlen umgeht.

Der Christgewerkschafter vermisst den von Neo-Kanzler Christian Kern propagierten "neuen Kommunikationsstil" und fühlt sich an frühere Zeiten erinnert: "Wenn sich der Ex-Kanzler mit der Ex-Innenministerin darüber streitet, ob wir nun von einem Richtwert oder einer Obergrenze sprechen, wird man international zur Lachnummer." Neugebauer appelliert an beide Partner, Disziplin zu üben. "Inhaltliche Konflikte und Diskussionen sind in einer guten Demokratie etwas Notwendiges und Selbstverständliches. Allerdings sollte der kultivierte Streit in den eigenen vier Wänden ausgetragen werden."

Soll heißen: SPÖ und ÖVP müssten sich zuerst intern über die Fakten einig werden, um dann nach außen hin konsequent eine "gemeinsame Sprachregelung" vertreten zu können. Schnippischer Nachsatz des Christgewerkschafters: "Uns in der GÖD gelingt das ja auch."

(Christian Böhmer)

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