Der Asyl-Plan der Regierung im Faktencheck

Zuerst die Hitze, dann der Regen: Noch immer sind 600 Menschen im niederösterreichischen Erstaufnahmezentrum Traiskirchen obdachlos.
Ab 1. Oktober darf der Bund in säumigen Gemeinden Unterkünfte für Flüchtlinge schaffen: Traiskirchen soll entlastet werden, mit Zelten Schluss sein.

Wöchentlich suchen 1600 Menschen Zuflucht in Österreich. Das Innenministerium geht davon aus, dass bis Jahresende 80.000 Asyl begehren. Zum Vergleich: In Deutschland rechnet man heuer mit 750.000. Seit Langem mangelt es hierzulande an adäquaten Herbergen in den Bundesländern. Nun verschafft sich der Bund ein "Durchgriffsrecht". Dieses soll der "menschenwürdigen, gleichmäßigen, gerechten und solidarischen Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden" dienen. Der KURIER zeigt auf, was das bedeutet.

Warum ist ein Durchgriffsrecht des Bundes nötig?

Die Länder haben 2004 mit dem Bund vereinbart, eine bestimmte Anzahl von Plätzen für Flüchtlinge bereitzustellen. Es gibt eine Quote, die sich an der Einwohnerzahl orientiert: Niederösterreich hat 19,1 Prozent der Asylwerber zu beherbergen, das Burgenland 3,4 Prozent. Je mehr Flüchtlinge kommen, desto mehr Quartiere müssen nach diesem Prozentschlüssel geschaffen werden. Das Gros der Länder erfüllt die Vorgaben nicht. Nur Wien, Niederösterreich (wegen des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen) und Vorarlberg sind nicht säumig. Schlusslicht ist das rot-blau regierte Burgenland.

Ab wann kann der Bund durchgreifen?

Das Verfassungsgesetz, das SPÖ, ÖVP und Grüne im September im Parlament beschließen werden, gilt ab 1. Oktober. Es ist zeitlich limitiert – mit Ende 2018.

Kann der Bund allerorts Quartiere errichten?

Nein. In jenen Ländern, die die vorgeschriebenen Plätze schaffen, kann er das nicht. In Ländern, die säumig sind, kann das Innenministerium Ersatzquartiere schaffen. 1,5 Prozent der Bevölkerungszahl eines Bezirkes gelten als Richtwert für die Plätze. Werden diese 1,5 Prozent unterschritten, kann der Bund einschreiten.

Gilt der 1,5-Prozent-Richtwert auch für die Gemeinden?

Ja, für Kommunen mit mehr als 2000 Einwohnern. Sollte eine Gemeinde die 1,5 Prozent nicht erfüllen, kann das durch den Zusammenschluss mit anderen Gemeinden ausgeglichen werden. Im Antrag zum Verfassungsgesetz steht: "Die Bundesregierung kann durch Verordnung einen höheren Gemeinderichtwert bestimmen." Wenn die 1,5 Prozent-Quote erfüllt ist und weiter Flüchtlinge kommen, kann die Quote erhöht werden. Ebenso kann sie der Bund senken. Derzeit liegt die Quote im österreichischen Schnitt bei 0,5 Prozent.

Was tut der Bund ab Herbst, wenn die Quote nicht erfüllt wird?

Das Innenministerium kann ohne Sanktus der lokalen Politiker Bundesgebäude als Asylquartiere adaptieren. Etwa eine Kaserne. Der Bund kann aber auch auf Grundstücken, die ihm gehören, Herbergen schaffen bzw. Grundstücke dafür pachten. Container können aufgestellt werden. Jedenfalls dürfen auf einem Grundstück "nicht mehr als 450 hilfs- und schutzbedürftige Fremde untergebracht werden", besagt das Gesetz. Die Kosten für diese Unterkünfte trägt der Bund.

Gelten Zelte bei der Quotenerfüllung?

Nein. "Nicht-winterfeste Unterkünfte" werden nicht eingerechnet. Im Gesetzestext heißt es: "Die Unterbringung umfasst jedenfalls angemessenen Wohnraum, einen Schlafplatz und ausreichende Sanitäranlagen."

Werden die Plätze in den Erstaufnahmezentren, damit auch jene in Traiskirchen, in die Quote eingerechnet?

Nein. Wirkte das geplante Gesetz bereits, würde Niederösterreich die Vorgaben des Bundes nicht mehr erfüllen.

Wer zahlt für die Versorgung der Flüchtlinge in den Quartieren, die der Bund bereitstellt?

Wie in der Grundversorgungsvereinbarung aus dem Jahr 2004 festgelegt, zahlen auch da Bund (60 Prozent) und Länder (40 Prozent).

Bleibt es bei den 19 Euro, die ein Quartiergeber pro Flüchtling bekommt?

Nein. Am 1. Oktober wird auf 20,5 Euro erhöht, am 1. Jänner 2016 auf 21 Euro.

Reaktionen der Länder zum Durchgriffsrecht

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