Ariel Muzicant: Angriffe in Amsterdam waren "Versuche eines Pogroms"

Ariel Muzicant: Angriffe in Amsterdam waren "Versuche eines Pogroms"
Der EJC-Präsident war zu Gast in der ZIB 2. Er sieht die Politik mitverantwortlich am steigenden Antisemitismus in Europa: "Es muss endlich etwas geschehen!"

Ariel Muzicant, der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, war zu Gast bei Martin Thür in der ZIB 2, wo er klar betonte: "Es ist 10 nach 12!" Die Attacken auf israelische Fußballfans bezeichnete er klar als "Versuch eines Pogroms". "Es war ein gezielter Versuch, jüdische Menschen zu verletzen, zu töten und zu erniedrigen."

Er sei überzeugt, dass es sich beim Vorfall um eine "wohl durchdachte, geplante und von einer stärkeren Institution, möglicherweise einem Land, gesteuerten Aktion" handele. "Das waren nicht einfach nur Hooligans, die sich gestritten haben."

"Politik ist mitverantwortlich"

Europa müsse deshalb endlich aufwachen, findet Muzicant klare Worte. Man könne sich nicht länger "auf irgendwelche Beschwichtungsreden verlassen", vielmehr seien Taten gefragt: "Hier muss endlich etwas geschehen!" Lippenbekenntnisse für den Kampf gegen den Antisemitismus würden zwar durchaus getätigt werden, so Muzicant – "aber wo bleiben die Aktionen?!"

Die Frage Thürs, ob die Politik genug gegen den ansteigenden Antisemitismus in Europa tun würde, verneint der EJC-Präsident klar und geht sogar noch einen Schritt weiter: "Die Politik ist mitverantwortlich für die Zunahme des Antisemitismus."

Wie frei ist jüdisches Leben zurzeit noch in westlichen Ländern in Europa, will Thür daraufhin wissen. "Das jüdische Leben in Europa blüht und gedeiht", ist Muzicant der Meinung, "aber die Frage ist, wie lange noch, wenn solche Aktionen an der Tagesordnung stehen. Wenn man nicht mehr auf ein Fußballmatch gehen kann, ohne Angst zu haben, nachher verprügelt zu werden, dann ist jede rote Linie überschritten."

"Kein Kriegszustand mit der FPÖ"

Natürlich sprach Thür im Interview auch die Demonstrationen gegen den FPÖ-Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz an. Dieser wurde am Freitag von jüdischen Demonstrantinnen und Demonstranten daran gehindert, anlässlich des Gedenkens an die November-Pogrome einen Kranz beim Denkmal am Judenplatz niederzulegen. Sei das berechtigt, sollten nicht auch FPÖ-Politiker gedenken dürfen?

"Man sollte nicht pauschalisieren", gibt Muzicant zu. Aber: "Wenn es FPÖ-Politiker gibt, die Mitglieder sind von rechtsextremen Burschenschaften (...) – und wir haben eine sehr große Anzahl an FPÖ-Politiker, die dort Mitglieder sind und dessen Gedankengut unterstützen – dann sagt man vollkommen zu Recht, dass wir mit diesen Politikern nichts zu tun haben wollen." 

Das Interview beschließt Ariel Muzicant mit den Worten: "Wir befinden uns in keinem Kriegszustand mit der FPÖ. Ich möchte nur daran appellieren, dass man auch unsere Emotionen und unsere Dinge versteht."

Muzicant bezeichnet Rosenkranz als "Kellernazi"

In einem kürzlichen Interview mit The Jerusalem Post bezeichnete Muzicant Rosenkranz offen als "Kellernazi".

"Wir haben 225 Fälle dokumentiert, in denen Funktionäre der FPÖ antisemitische, rechtsextreme oder neonazistische Ansichten äußerten, vom Singen von Naziliedern bis hin zum Rufen von 'Heil Hitler' und anderen Idiotien", so der 72-Jährige im Gespräch mit der Zeitung. "Dutzende FPÖ-Mitglieder sind auch Mitglieder von Studentenverbindungen. Wenn sie an Treffen dieser Burschenschaften teilnehmen, die oft in Kellern stattfinden, lassen sie ihre rechtsextremen und neonazistischen Ansichten heraus. Deshalb nennen wir sie 'Kellernazis'".

Rosenkranz sei ein solcher, denn "er ist Mitglied der Libertas-Bruderschaft, die jüdische Mitglieder ausschloss. Und er war an anderen Aktivitäten beteiligt, die nicht mit der Position des Parlamentspräsidenten vereinbar sind. Hätte Rosenkranz sein neues Amt ernst genommen, hätte er seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft gekündigt [und] sich von ihr distanziert."

Kommentare