AK-Präsidentin Anderl: "Telefoniere noch öfter mit Mahrer"

Interview: Renate Anderl
Die Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl zur Krise der Wirtschaftskammer, ihre Auswirkungen auf die Sozialpartnerschaft, Reformbedarf in der AK und die Notwendigkeit von Steuererhöhungen.

Mit der Debatte um die Gehälter in der Wirtschaftskammer gerieten auch die Gagen von AK-Funktionären in das Blickfeld. Präsidentin Renate Anderl verteidigt sie im KURIER-Gespräch – genauso wie die Pflichtmitgliedschaft.

KURIER: Frau Präsidentin, Martha Schultz, die nun die WKO leitet, meinte zuletzt in der ZiB2, die ursprünglich geplante Gehaltserhöhung für WKO-Mitarbeiter über 4,2 Prozent sei „ein bisschen unsensibel gewesen“. Teilen Sie diese Einschätzung?

Renate Anderl: Das ist ein internes Problem der WKO, zu dem ich mich nicht äußern möchte. Ich hätte auch nicht gerne, wenn mir bei AK-internen Diskussionen jemand von außen etwas ausrichtet.

Anders gefragt: Hat es Sie überrascht, dass die Causa für so große Aufregung sorgt, dass Präsident Harald Mahrer letztlich zurücktreten musste?

Es ist etwas ganz Neues, dass von außen derart massive Kritik kommt, wenn es um Lohn- und Gehaltserhöhungen geht. Das betrifft nicht nur die WKO. Der Ton ist rauer geworden, die Querschüsse sind mehr geworden. Das ist der Zeit geschuldet.

Als Mahrer seinen Rücktritt angekündigt hat, gab es von allen Seiten offizielle Reaktionen, nicht aber von ÖGB und AK. Ist das nicht etwas ungewöhnlich angesichts der jahrelangen engen Zusammenarbeit?

Die Frage ist: Mit welchen Aussagen geht man in die Öffentlichkeit? Wir haben jedenfalls die vergangenen Jahre sehr gut und intensiv zusammengearbeitet und als Sozialpartner gemeinsam viel bewältigt. Zusammen mit Harald Mahrer haben wir etwa in der Pandemie in ein paar Stunden ein Kurzarbeit-Modell auf die Beine gestellt. Wir haben auch der aktuellen Regierung viele Vorschläge gemacht. Mahrers Entscheidung zum Rücktritt muss man akzeptieren. Wir telefonieren aber nach wie vor öfter miteinander, immerhin ist er ja immer noch Wifo-Präsident.

Im Zuge der WKO-Krise gerieten auch die Gehälter der AK-Funktionäre in den Fokus. Wie erklären Sie es einem einfachen AK-Mitglied, dass Ihr Gehalt 140 Prozent eines Nationalratsabgeordneten ausmacht?

Mit dem Job ist eine große Verantwortung verbunden. Verglichen mit Managerbezügen ist das Gehalt nicht besonders hoch. Zudem gibt es jetzt für die AK-Präsidenten das wahrscheinlich dritte Mal hintereinander eine Nulllohnrunde. Es geht aber bei der ganzen Debatte nicht um die Gehälter, auch nicht um Neid. Sondern manchen darum, Institutionen, die in diesem Land vieles bewegen, zu zerstören. Wir sollten aber nicht über jene diskutieren, die mehr verdienen, sondern über jene, die zu wenig verdienen.

Bei der WKO werden jetzt auch Strukturreformen diskutiert, etwa die Zusammenlegung von Länderkammern. Wäre das auch für die AK denkbar?

Soweit ich informiert bin, haben wir neun Bundesländer. Und jedes hat andere Herausforderungen. In Tirol und Vorarlberg liegt der Schwerpunkt auf dem Tourismus, in OÖ auf der Industrie, in Wien ist es der Dienstleistungsbereich. Solange wir die Aufteilung in neun Bundesländer haben, stehen wir dazu, dass es auch neun Länder-Arbeiterkammern gibt.

Würden die Kammern nicht genauso gut funktionieren, gäbe es keine Pflichtmitgliedschaft mehr?

Die gesetzliche Mitgliedschaft bedeutet, dass alle mit an Bord sind, das ist ganz wesentlich. Bei uns an Bord sind Teilzeit-Beschäftigte in der Reinigung genauso wie solche in Versicherungen und Banken. Es zeichnet uns aus, dass wir alle gut vertreten können – bei Problemen am Arbeitsmarkt, aber auch beim Konsumentenschutz. Deshalb ein klares Ja zur gesetzlichen Mitgliedschaft – und das auch bei der Wirtschaftskammer. In Deutschland etwa, wo es sie nicht gibt, hat nicht einmal die Hälfte der Beschäftigten einen einheitlichen Kollektivvertrag. Wir haben eine Abdeckung von 98 Prozent. Das bedeutet Sicherheit für die Beschäftigten und sozialen Frieden.

Wie sehr schadet die Krise der WKO der Sozialpartnerschaft?

Es gibt einen Schaden. Ich bin aber überzeugt, dass Mahrers Nachfolgerin Martha Schulz die WKO wieder in ruhiges Fahrwasser bringt, damit wir Sozialpartner uns wieder um die Dinge kümmern können, die notwendig sind.

Was uns zur Bundesregierung führt: ÖVP und SPÖ leiden unter desaströsen Umfrage-Werten. Verstehen Sie, dass die Menschen so unzufrieden sind?

Sie muss noch mehr nach außen kommunizieren, unter welch schwierigen Umständen sie versucht, das Budgetdefizit zu beseitigen. Und es sind wichtige Schritte gesetzt worden: Für knapp zwei Millionen Menschen gibt es einen Mietdeckel – auch wenn wir uns hier mehr gewünscht hätten. Oder der Chancenbonus, den Bildungsminister Christoph Wiederkehr umsetzt. Da ziehen wir mit ihm an einem Strang.

Was nicht funktioniert, ist die Senkung der Teuerung. Müsste hier die Regierung nicht stärker eingreifen?

Was jetzt passiert, sind eher kleine Schritte. Für weitere fehlt anscheinend der Wille. Etwa beim Thema Energie: Es ist nicht verständlich, dass sie billiger wird, die Rechnung wegen der Netzkosten aber trotzdem höher wird.

Bei wem verorten Sie den mangelnden Willen?

Wenn etwa von vielen Seiten inklusive Gemeindebund die Forderung kommt, dass man die Grundsteuer anheben soll, dann verstehe ich nicht, warum man das nicht schon längst gemacht hat. Das ist für die einzelnen Betroffenen vertretbar, würde aber in Summe einen großen Betrag bringen.

Aber ist es nicht so, dass Österreich eher ein Ausgaben-, denn ein Einnahmenproblem hat?

Dem schließe ich mich nicht an. Wir können bei den Ausgaben nicht noch mehr sparen. Das kommt nämlich eins zu eins bei den Menschen an. Die Wirtschaft werden wir so nicht ankurbeln können.

Also weitere Steuererhöhungen?

Man könnte darüber diskutieren, die KÖSt wieder anzuheben. Und wann, wenn nicht jetzt, sollten wir über eine Erbschafts- und eine Millionärssteuer reden? Die Rücknahme der Abschaffung der kalten Progression wäre auch eine Möglichkeit.

Zur SPÖ: Zuletzt gab es wieder gehäuft mediale Berichte, wonach parteiintern angezweifelt wird, ob Andreas Babler der richtige Vorsitzende ist. Ist er das?

Solche Diskussionen sind nichts Neues: Sie haben begonnen, als Werner Faymann Parteichef war, wir hatten sie auch bei Pamela Rendi-Wagner, die sehr viel Durchsetzungsvermögen bewiesen hat. Andreas Babler ist der Parteivorsitzende, daran gibt es für mich nichts zu diskutieren.

Seine von Ihnen angesprochenen Vorgänger mussten sich aber letztlich unfreiwillig zurückziehen.

Wenn man von Medien ständig beschossen wird, kann es schon den Moment geben, wo man den Hut draufhaut. Es ist nicht fair, wenn man immer gegen eine Person schießt. Da frage ich mich ehrlich, ob sich die Medien nicht auch um andere Dinge kümmern sollten.

Kommentare