Mikl-Leitner prüft Ausnahmezustand
Mehr als 2000 Razzien hat die Polizei in Frankreich seit den Anschlägen von Paris durchgeführt; 210 Personen wurden dabei festgenommen, 320 Schusswaffen sichergestellt. Ziel war es, Hinweise auf die überlebenden Attentäter und ihre Hintermänner zu bekommen.
Die umfangreiche Aktion war nur so rasch möglich, weil sich Frankreich aufgrund der Terrorattacken im Ausnahmezustand befindet. So können etwa Wohnungen ohne richterlichen Beschluss durchsucht oder Ausgangssperren verordnet werden.
In Österreich gibt es keine derartige Regelung. "Für die Verhängung eines Ausnahmezustandes müsste man die Verfassung ändern", erklärt Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk im KURIER-Gespräch. Das weiß ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Sie hat daher eine Debatte darüber angestoßen, ob die Exekutive hierzulande auch weitreichende Befugnisse in Notsituationen erhalten soll – um z. B. Dschihadisten unter Hausarrest stellen oder ihnen Fußfesseln verpassen zu können. Derzeit kann Mikl-Leitners Idee nämlich nicht realisiert werden. Einstweilen soll eine "Gefährderansprache" und eine "Meldepflicht" eingeführt werden. So soll die Polizei Syrien-Rückkehrer, die mangels Beweisen nicht verhaftet werden können, zu einem belehrenden Gespräch "einladen" können. Und wenn amtsbekannte Extremisten eine Demonstration stören könnten, sollen sie während der Veranstaltung zur Polizei beordert werden können.
Verfassungsrechtler Funk erklärt, dass die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) es erlaube, unter bestimmten Voraussetzungen ("... wenn das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht" wird ...") einen Ausnahmezustand auszurufen. Es müssten aber dennoch gewisse Grundrechte gewahrt werden (Folterverbot, keine Bestrafung ohne Verfahren etc.).
Zugriff auf Störenfriede
Würde man den Ausnahmezustand in die Verfassung schreiben, könnte er auch hierzulande verhängt werden. Funk spricht sich dafür aus, betont aber: "Es darf keine schrankenlose Ermächtigung ohne gesetzliche Bedingungen sein." Es müsste genau geregelt werden, wer den Ausnahmezustand unter welchen Bedingungen initiieren kann, wie lange er gilt und was die Exekutive tun darf. "Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt werden – und es muss auch möglich sein, die Maßnahmen im Nachhinein zu überprüfen", sagt Funk.
In Frankreich darf der Präsident den Ausnahmezustand anordnen (für zwölf Tage). Das Parlament hat ihn aktuell auf drei Monate verlängert. Das wirkt sich auch auf den Weltklimagipfel aus – Demos sind verboten. Umweltschützer, die als polizeibekannte Störenfriede gelten, wurden unter Hausarrest gestellt.
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