Und was ist mit der Politik? Bei der Frage lacht er laut. Sehr laut. „Nein, mein Rücktritt war ein bewusster Abschluss“, sagt Anschober. Gerüchte, er könnte sich als Kandidat für die Hofburg-Wahl 2022 in Stellung bringen, wischt er weg: „Wir haben mit Alexander Van der Bellen den besten Bundespräsidenten, den man sich wünschen kann. Und so soll es bleiben.“ Anschober geht davon aus, dass „der Sascha“ wieder kandidiert – „ohne, dass ich mit ihm darüber gesprochen hätte“.
Auch bei Fragen zur innenpolitischen Lage oder zum türkis-grünen Koalitionskrach zuckt der Grüne, der 18 Jahre lang in Regierungsfunktionen war (erst in Oberösterreich, dann im Bund; Anm.), nur mit den Achseln. Erstens, weil er nach seinem Rücktritt „total abgeschaltet“ habe. Zweitens, weil er „kein Zwischenkeppler“ sein will.
Was den Gesundheitsminister a. D. aber immer noch beschäftigt, ist die Corona-Lage. Obwohl die Regeln längst gelockert sind, trägt der doppelt geimpfte Anschober noch FFP2-Maske, schüttelt keine Hände und hält den Mindestabstand ein. „Das, was gerade in Portugal und Großbritannien passiert, wird auch uns nicht erspart bleiben“, sagt er in Hinblick auf die steigenden Zahlen in diesen Ländern. Die Delta-Variante sei „die mit Abstand gefährlichste Variante, die wir je hatten“.
Wichtig sei, dass die Bevölkerung rasch durchgeimpft werde – Ziel müsse eine Quote von 85 Prozent sein. „Nie war der Zugang zu Impfstoffen so einfach. Es wäre ein Fehler, die Chance zu versäumen“, so sein Appell an die Bevölkerung.
Vieles erinnert noch an den Gesundheitsminister aus der Hochphase der Pandemie: Mit weißem Hemd sitzt er schnurgerade da, die Hände am Tisch verschränkt, davor liegen gestapelt ein dickes Notizbuch und sein Handy. Fehlt eigentlich nur die Grafik mit den Infektionskurven.
Dass die Zahlen in Österreich im Frühsommer so rapide gesunken sind, habe ihn selbst überrascht, sagt er. Ob er manchmal den Zeitpunkt seines Rücktritts bereut?
Nach Monaten der Lockdowns, die Anschober durchzudrücken hatte, ließen sich Kanzler Sebastian Kurz und der neue Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein zuletzt für die Öffnungen und den Impffortschritt feiern. Auch da muss Anschober lachen. Allerdings nicht mehr ganz so laut.
Der Ex-Minister wünscht sich von der Regierung eine große Evaluierung – auch, weil er sein eigenes Handeln auf Basis von Fakten reflektieren will. „Was hat gut funktioniert, was nicht? Welche Phasen gab es? Mit wem habe ich geredet, mit wem hätte ich mehr reden sollen?“ Das alles seien Fragen, die – sobald es ruhiger wird – aufgearbeitet werden müssten.
Notwendig sei seiner Ansicht nach auch eine Gesetzesreform. Corona habe gezeigt, dass das derzeitige Epidemiegesetz für Herausforderungen wie eine globale Pandemie, in der permanent zwischen Grundrechten und Gesundheitsschutz abgewogen werden muss, nicht tauge.
„Ich würde mir wünschen, dass die g’scheiten Verfassungsjuristen, die sich zu meinen Verordnungen zu Wort gemeldet haben, einen Arbeitsprozess starten“, sagt Anschober. Wünschenswert sei zudem, dass entsprechende Maßnahmen künftig eine höhere Zustimmung im Parlament als Voraussetzung haben.
Welche Lehren er persönlich aus dieser Phase zieht, kann Anschober noch nicht sagen. „Aber jetzt habe ich ja viel Zeit zum Denken.“
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