Warum die Innenministerin einen Image-Schaden riskiert

Warum die Innenministerin einen Image-Schaden riskiert
Mit dem Schließen von Polizei-Posten macht sich Mikl-Leitner weiter unbeliebt. Warum tut sie das?

Nein, es war nicht die Woche der Johanna Mikl-Leitner. Nachdem die ÖVP-Innenministerin verlautbart hatte, österreichweit 122 Polizei-Dienststellen zu schließen (der KURIER berichtete), wurde die Ressortchefin allerorten getadelt. Landeshauptleute wie Hans Niessl und Peter Kaiser richteten ihr aus, man werde den Kahlschlag nicht hinnehmen und die Causa zum Thema der Landeshauptleutekonferenz machen; Polizeigewerkschaft und Opposition mokierten sich über die „Hau-ruck-Reform“; und insbesondere die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden nutzen jede Gelegenheit, um der Ministerin auszurichten, sie gefährde die Sicherheit der Bürger.

Rein fachlich scheint das, was Mikl-Leitner vorhat, sinnvoll. Seit 2010 drängt der Rechnungshof darauf, kleine Wachstuben zusammenzulegen. Und auch im Apparat selbst hegt man Sympathien – immerhin entlastet die Zusammenlegung den Einzelnen bei Nacht- und Wochenenddiensten; und sie hilft zu vermeiden, dass Polizisten – wie bislang durchaus üblich – allein Streife fahren und im Ernstfall auf sich alleine gestellt sind.

Image-Verlust

„Dem Image von Frau Mikl-Leitner ist die geplante Schließungswelle freilich alles andere als zuträglich“, sagt Wolfgang Bachmayer, Chef des Meinungsforschungsinstituts OGM.

Die Postenfusion sei eine „Blaupause“ für die Schließungswelle bei den Postämtern. „Mikl-Leitner macht sich Feinde bei den Wählern, bei den kleinen Funktionären – und bei den von der Reform Betroffenen.“

Angesichts der Tatsache, dass Mikl-Leitners Image-Werte schon vorher bescheiden waren (sie ist im APA-OGM-Vertrauensindex die unbeliebteste Ministerin der Regierung) stellt sich die Frage: Warum tut sie das? Warum setzt sie ausgerechnet jetzt eine derart unpopuläre Maßnahme?

Die offizielle Auskunft in Partei wie Ministerium lautet: Sie tut es, weil es richtig ist, weil sie daran glaubt.

Das kann man glauben. Doch wer die routinierte Politikerin kennt, weiß: Das ist nicht die ganze Wahrheit.

„Unpopuläre Maßnahmen müssen möglichst weit entfernt vom Wahltag gesetzt werden – also idealerweise am Beginn einer Legislaturperiode“, sagt Politik-Analyst Thomas Hofer. Das erklärt das Timing – aber was ist mit dem Motiv?

Mikl-Leitner hat wohl gehofft, sie könne mit der Maßnahme ihr Profil schärfen“, sagt Hofer. Wie einst Ernst Strasser, der Gendarmerie und Polizei fusionierte, habe offenbar auch die ÖAAB-Chefin darauf gesetzt, ein „Macher-Image“ zu erzeugen. „Wenn eine Maßnahme vom Rechnungshof empfohlen wird und wenn man damit mehr Polizisten auf die Straße bringt, dann kann das dem Image als Sicherheitsministerin nutzen“, sagt Hofer. Im konkreten Fall sei freilich ein Fehler passiert: „Die Kommunikation war, gelinde gesagt, verbesserungswürdig.“ Und so diskutiere jetzt niemand darüber, wie viele zusätzliche Polizisten bald auf der Straße unterwegs seien, sondern was sich verschlechtern könnte.

ÖVP-Kennerin Heidi Glück vermutet profanere Gründe hinter der umstrittenen Maßnahme: „Alle Ministerien stehen unter Spardruck. Will man nicht beim Personal kürzen, bleibt nur eines – die Infrastruktur.“

Langfristig könnte Mikl-Leitner allenfalls profitieren. „Wenn es ihr gelingt, bei der Sicherheit messbare Verbesserungen zu erzielen, kann das ihre Image-Werte heben“, sagt Meinungsforscher Bachmayer. Das sei schwierig, keine Frage. „Aber es ist möglich. Heute wird ja auch wieder mehr über die Umsätze bei der Post und weniger über die fehlenden Postämter diskutiert.“

Wann immer sich eine Landes- oder Bundesregierung anschickt, Abteilungen von Spitälern, Gemeindeämter oder – wie gerade eben – Polizeidienststellen zu schließen, löst sie den immer gleichen Reflex aus: Provinzgrößen geben sich empört, man zetert gegen die abgehobene Obrigkeit und droht mit erbittertem Widerstand.

Nun ist es verständlich, ja sogar sympathisch, wenn sich Bürgermeister für die Interessen ihrer Bevölkerung ins Zeug legen – genau dafür wurden sie gewählt.

Im konkreten Fall ist gut gemeint aber wieder einmal das Gegenteil von gut.

Was schafft denn Sicherheit? Vor allem die physische Präsenz von Polizistinnen und Polizisten vor Ort.

Wer meint, man müsse sich – wie weiland in der Monarchie – möglichst viele, weit übers Land verstreute Wachzimmer halten, unterliegt einem Denkfehler.

Warum, das illustriert das Beispiel Bayern: Im Unterschied zu Wien wird der Großraum München nicht von 100, sondern von „nur“ 25 Inspektionen bewacht.

Interessanterweise sind die Münchner deutlich mehr unter den Menschen als hiesige Beamte: Ein Münchner Ordnungshüter verbringt 70 Prozent der Arbeitszeit auf Streife, ein Wiener „nur“ 40.

Der Grund für diesen frappanten Unterschied: In München wird die zwangsläufig anfallende Bürokratie (Diensteinteilung, Schriftverkehr zwischen Dienststellen, etc.) zentral von Spezialisten erledigt. Der Einzelne hat mehr Zeit, um zu Fuß oder im Auto zu „streifen“; man „verteilt sich in der Fläche“, wie es so schön heißt – und ist insbesondere bei entlegenen Notfällen schneller vor Ort.

Bleibt die Frage: Was genau missfällt den widerspenstigen Bürgermeistern jetzt an diesem Szenario?

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