Ameisen üben sich in Zweckoptimismus

Piratin Juliana Okropiridse will das linke Bündnis "Wien Anders" in dem Gemeinderat führen. Die Chancen stehen nicht gut.
Die kleinen Listen hoffen trotz pessimistischer Prognosen auf den Einzug in den Gemeinderat.

Der Wahlkampf spitzt sich auf das direkte Duell SPÖ gegen FPÖ zu. Wie berichtet, laufen kleinere Parteien da Gefahr, mit ihren Themen unterzugehen. Und „kleinere“ bedeutet in diesem Zusammenhang: ÖVP, Grüne und Neos.

Umso schwieriger wird es für die Wien-weiten Mini-Listen, die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Gemeinderat zu bewältigen.

„Wir wollen Wahlfreiheit“ (WWW), „Gemeinsam für Wien“ (GfW) sowie „Wien Anders“ sind nicht nur punkto Wahlkampfbudget und Medienwirksamkeit von vorn herein chancenlos gegen die Großparteien, sondern kämpfen nun auch gegen „das Problem der verlorenen Stimme“, wie Politologe Peter Filzmaier es nennt: „Wenn ich eine dieser Kleinparteien als meine erste Wahl hätte und dauernd höre, dass ihre Chance gering ist, beginne ich mich zu fragen, ob meine Stimme nicht eine verlorene ist. Dann beginnt die zweite Präferenz zu wirken.“

Apropos: Die Fünf-Prozent-Hürde traut Filzmaier keiner der Listen zu, ein Prozent sei für den einen oder anderen aber denkbar.

WWW klammert Thema Asyl aus

WWW-Spitzenkandidat Heinz Pollischansky glaubt dennoch an einen Erfolg. „Immerhin haben fast 140.000 Wiener unsere Unterschriftenaktion gegen ein generelles Rauchverbot unterstützt“.

Ameisen üben sich in Zweckoptimismus
ABD0015_20150811 - WIEN - ÖSTERREICH: Spitzenkandidat der neuen Liste der Wiener Gastronom Heinz Pollischansky anl." Einreichungs Kandidatur neue Plattform für mehr direkte Demokratie" am Dienstag, 11. August 2015, in Wien. - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER
Inhaltlich setzt die Liste auf direkte Demokratie. „Nach dem Vorbild des Schweizer Modells“ wünscht man sich Volksentscheide auf Landes- und Bezirksebene. „Stimmberechtigt wären in dem Fall EU-Bürger, die in Wien hauptgemeldet sind. “

Das Thema Asyl klammert man dagegen bewusst aus. Zumindest vordergründig. Die Wiener sollten selbst abstimmen, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen wollen, meint Pollischansky. Er will „den Wienern ihre Stadt zurückgeben“.

„Islam is daham“

Einen komplett anderen Standpunkt nimmt da „Gemeinsam für Wien“ ein. Die multikulturelle Liste um den türkischstämmigen Arzt Turgay Taskiran will beim Thema Flüchtlinge noch einmal nachschärfen und sich mittels Aufklärung als Gegenpart zu den „Angstmachern der FPÖ“ positionieren. Mit der könnte sich der Spitzenkandidat – anders als noch im Sommer – mittlerweile übrigens keine Koalition mehr vorstellen.

Ameisen üben sich in Zweckoptimismus
Interview mit dem Allgemeinmediziner Dr.Turgay Taskiran, der als Spitzenkandidat der türkischen Liste "Gemeinsam für Wien" bei der Wien-Wahl im Oktober 2015 antreten möchte. Wien, am 28.07.2015.
Punkto Fünf-Prozent-Hürde gibt sich Taskiran weiterhin optimistisch: „In Wien leben 214.000 Menschen mit Migrationshintergrund. Und viele autochtone Österreicher unterstützen uns auch.“

Da die Liste keine Plakatflächen hat, ist sie auf Aktionismus angewiesen: „Wir werden menschliche Plakate den Ring entlang laufen lassen“, kündigt der Listengründer für die letzte Wahlkampf-Woche an. Um gegen Islamophobie aufzutreten, werde es etwa das Sujet „Der Islam ist hier daham“ geben.

Social-Media-Wahlkampf

Beim linken Bündnis „Wien Anders“ habe man damit gerechnet, dass es für Kleinparteien am Ende des Wahlkampfs schwierig wird – und vorgesorgt, sagt Sprecher Sebastian Reinfeldt. „Dafür haben wir eigene Kanäle aufgebaut – allein unsere Facebook-Seite hat 7000 Likes, mehr als die der ÖVP oder der Neos. Und wir haben täglich 1000 Zugriffe auf unsere Homepage – viele kommen über wahlkabine.at.“ Dazu seien zurzeit 300 ehrenamtliche Wahlhelfer in der Öffentlichkeit unterwegs - zum Beispiel am Rande der "Voices for Refugees"-Kundgebung am 3. Oktober auf dem Heldenplatz.

Auf dem Programm stehen leistbares Wohnen, die Forderung, Cannabis zu legalisieren und das Engagement für Flüchtlinge. Spitzenkandidatin ist Juliana Okropiridse von den Piraten, an zweiter Stelle tritt KPÖ-Urgestein Didi Zach an.

Polyglott & Superheld

Auf die eine oder andere Art auffällig sind auch Listen, die nur in einzelnen Bezirken antreten.

Wie z. B. „WIR im Ersten“ um Rechtsanwalt Karl Newole, der seine zwei Mandate im Bezirksparlament der Inneren Stadt verteidigen will und dafür die Forderung nach mehr direkter Demokratie – Wien-weit einzigartig – auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch plakatiert. "Der 1. Bezirk muss als Wohnbezirk erhalten bleiben", lautet Newoles Botschaft Nummer eins.

Ameisen üben sich in Zweckoptimismus
WIFF Schimanek Turtenwald Wahl Floridsdorf
Einen gewissen Unterhaltungswert kann man auch der parteiunabhängigen Liste „Wir für Floridsdorf“ nicht absprechen. Für sie kandidiert der ehemalige nö. FPÖ-Landesrat Hans Jörg Schimanek, der sich auf den Wahlplakaten gemeinsam mit seiner Nummer zwei, Bezirksrat Ossi Turtenwald, als Superheld outet. Schimanek setzt auf Bürgernähe, will Floridsdorf als Grünbezirk erhalten und sagt, Kriegsflüchtlingen müsse man „natürlich helfen“.

Anfang der Woche echauffierte er sich gegenüber Journalisten nichtsdestotrotz über Michael Häupls "Plan", nach der Wahl auf dem Gelände des Stammersdorfer Heeresspitals ein Flüchtlingscamp zu errichten. Sowohl Militärkommando, als auch der Flüchtlingskoordinator der Stadt Wien bestreiten aber ein derartiges Vorhaben und sprechen von einer "politisch motivierten Falschmeldung".

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