Vorbild für Österreich: Alle fliegen auf Macron

Staatspräsident Emmanuel Macron dient vielen EU-Politikern, auch dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz, als Identifikationsfläche.
Der sozialliberale französische Staatspräsident Emmanuel Macron wird von ÖVP, SPÖ und den Neos umgarnt.

Er bekommt Applaus von Links bis Mitte rechts. Er wird bewundert wegen seiner Fähigkeit, aus dem Stand eine politische Bewegung aufzubauen, Wahlen triumphal zu gewinnen und er wird EU-weit nachgeahmt, Reformen mit Verve durchzusetzen.

Emmanuel Macron ist Europas politisches Role Model. Der umfassend gebildete, strahlende Stratege ist ein Staatsmann, der machtbewusst Frankreich umkrempelt und am Ende seiner Amtszeit auch ein tatsächlich anderes Europa – ein wirtschaftlich starkes und geeintes– hinterlassen will. Macron ist das, was Amerikaner einen „transformativen Präsidenten“ nennen.

Auch in Österreich gibt es ein G’riss um Macron, ein Wettkampf um seine Gunst ist ausgebrochen. Der erste bilaterale Besuch führte Bundeskanzler Sebastian Kurz am 12. Jänner – nur wenige Wochen nach seiner Angelobung – zum französischen Staatspräsidenten nach Paris. Beide beschwörten den Aufbruch in ein neues Europa, auch wenn es tiefe inhaltliche Differenzen zwischen ihnen gibt. Macron will einen europäischen Finanzminister, Eurobonds und ist bereit, mehr Geld für das EU-Budget zu zahlen. All das lehnt Kurz ab. „Mehr Europa“ will Kurz nicht.

„Bruder im Geiste“

Noch-Neos-Chef Matthias Strolz hat seinem „Bruder im Geiste“, Emmanuel Macron, auch brieflich Unterstützung angeboten. Er wolle ein „kleiner Verbündeter“ Macrons sein, lüftete Strolz bei einer Pressekonferenz sein Geheimnis. Leicht möglich, dass Strolz (und die Neos) bei der Europa-Wahl im nächsten Jahr gemeinsame Sache mit Macrons „En marche–Europe“ machen.

Der ehemalige Bundeskanzler Christian Kern ist nicht abgeneigt, mit Macron in Europafragen zu kooperieren. Kommenden Samstag wird der SPÖ-Chef im Élysée-Palast empfangen. „Ich sehe das Treffen ausschließlich inhaltlich, wenn es um die wirtschaftliche und soziale Weiterentwicklung der EU geht. Wenn wir Europa stärken, stärken wir auch Österreich“, sagt Kern. In der französischen Hauptstadt wird er aber nicht nur Macron treffen, sondern auch die Spitzen der Parti Socialiste. Aus dieser alten Partei kommt Macron, und er hat ihr viele Wähler weggenommen.

Wie sehr der 40-jährige Staatspräsident parteiübergreifend umworben wird, zeigten Mitte April die Reaktionen auf seine Rede im Europäischen Parlament in Straßburg. Die Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Neos klatschten laut und überboten sich im Lob für Macron. „Ein Weckruf an die Kleingeister, Bremser, Betonierer und Mutlosen in den Regierungen der Mitgliedsstaaten“, bezeichnete ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas die visionäre Rede.

"Bemerkenswert"

„Es ist schon sehr bemerkenswert, dass programmatisch unterschiedliche Parteien und ihre Spitzenvertreter sich an Macron, an seiner Politik und und an seinen Absichten orientieren“, beschreibt Politikwissenschafter Fritz Plasser das Phänomen Macron. „Er ist eine Figur, die Erneuerung und Selbstsicherheit präsentiert wie es kein Vertreter einer traditionellen Partei macht. Deswegen ist er für viele so attraktiv, auch wenn sie sich inhaltlich nicht mit allem identifizieren, was sein Programm ist. Emmanuel

Macron bietet selektive Identifikationsmöglichkeiten“, analysiert Plasser.

Viele sehen in Macron den Retter Europas und orientieren sich an seinen Inhalten und Zielen. Andere, wie Bundeskanzler Kurz, sind fasziniert von seinem Reformrausch, seinem Regierungsstil und seiner Innenpolitik, die streikende Massen und Gewerkschafter links liegen lässt. Liberale schwärmen über den marktorientierten Kurs in der Wirtschaftspolitik des ehemaligen Bankers.

Für Spannung dürfte Macrons Präsenz auch bei der Europa-Wahl sorgen, die Ende Mai 2019 stattfindet. Eben hat seine Partei „La République en Marche“ ein Büro in Berlin installiert, um hier eine Wahlplattform aufzubauen. Unter dem Titel „En Marche – Europe“ will Macron mit seiner Bewegung auch in andere Länder expandieren, um traditionellen Parteien Wähler abzujagen.

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