Kammer schlägt Alarm: Jeder 3. Arzt in Österreich erreicht bald das Pensionsalter

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Jedes Jahr müssten mehr als 1.800 Ärzte nachbesetzt werden. Eine Erhöhung der Zahl der Studienplätze an Medunis ist für die Ärztekammer aber nicht zielführend.

Argumente, die durch belastbare Daten untermauert werden können, sind in der heimischen gesundheitspolitischen Debatte traditionell Mangelware. Entsprechend mit Vorsicht zu genießen ist auch die Ärztestatistik 2024, die nun die Ärztekammer veröffentlicht hat. Hinweise auf aktuelle Problemfelder gibt das Zahlenkonvolut dennoch. 

Eines davon ist die anstehende Ärzte-Pensionierungswelle und ihre Auswirkungen auf die Versorgung. Laut den Daten der Kammer hat sich in den vergangenen Jahrzehnten der Anteil der über 55-jährigen Ärzte beträchtlich vergrößert: Er kletterte seit 1995 von 16 Prozent auf zuletzt 33 Prozent. Zwar lag er schon in den 70er-Jahren ähnlich hoch. Damals war aber gleichzeitig der Anteil der Ärzte unter 35 Jahren deutlich höher. 

Was heißt das? 

Von den aktuell 52.005 beruflich aktiven Ärzten (+2,7% im Vergleich zu 2023) werden in den kommenden zehn Jahren 18.189 das Pensionsalter von 65 Jahren überschreiten.

Ärztestatistik

„Daraus ergibt sich ein jährlicher Nachbesetzungsbedarf von 1.818 Ärzten, allein um eine Aufrechterhaltung des Status-quo der Kopfzahl zu gewährleisten“, rechnet Kammeramtsdirektor Lukas Stärker vor. Wobei angesichts des früheren Pensionsantrittsalters der Ärztinnen, des Trends zur Teilzeit auch bei den Ärzten und der demografisch bedingt wachsenden Zahl der zu versorgenden Patienten der tatsächliche Bedarf noch höher sein dürfte.

Demgegenüber stehen die österreichweit jährlich 1.756 Studienplätze für Humanmedizin (ohne Privatunis, plus 144 für Zahnmedizin). „Das klingt auf den ersten Blick ausreichend, wir dürfen aber nicht vergessen, dass rund ein Drittel unserer Absolventen nicht im österreichischen Gesundheitssystem versorgungswirksam wird“, sagt Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart. „Diese Lücke lässt sich auch durch mehr Studienplätze nicht effektiv schließen – wir würden bloß noch mehr gut ausgebildete Ärzte an das Ausland verlieren, was bei uns beträchtliche Zusatzkosten zur Folge hätte“

Gibt es einen Ärztemangel?

Wobei auch er einräumt: „Es gibt keinen Ärztemangel an sich, sondern einen deutlichen Mangel im öffentlichen System, sei es im Kassenbereich oder in den Krankenhäusern.“

Ärztestatistik

Gerne wird in diesem Zusammenhang auf die OECD-Statistik verwiesen. Demnach hat kein Land so eine hohe Ärztedichte wie Österreich (5,53 pro 1.000) Einwohner. Seitens der Ärztekammer relativiert man aber: „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen“, betont Stärker. Wie so oft, würden die Daten in den einzelnen Ländern völlig unterschiedlich erhoben. So zähle das Vereinigte Königreich nur Ärzte im National Health Service, Tschechien keine Privatärzte oder Belgien nur Ärzte ab einer bestimmten Mindestzahl an Patienten. Freilich: Selbst wenn man diese Faktoren berücksichtige liegt Österreich bei der Ärztedichte zwar nicht mehr ganz vorne, aber immer noch im Spitzenfeld. 

So oder so: Auf jeden Fall seien Maßnahmen nötig, um den Beruf als Arzt im öffentlichen System zu attraktiveren, betont Steinhart. 

  • Allen voran flexiblere Arbeitsbedingungen in Spitälern wie Ordinationen: Etwa – entgegen den jüngsten politischen Forderungen – Teilzeitmodelle, Teil-Kassenverträge oder Job-Sharing-Modelle.
  • Weiters eine Weiterentwicklung der elektronischen Gesundheitsakte ELGA. Im Rahmen einer „Patient Summary“ sollen alle handlungs- oder haftungsrelevanten Patienteninformationen auf einen Blick für den Arzt verfügbar sein. „Derzeit gleicht ELGA ja noch einem PDF-Friedhof, wo einzelne Dokumente oft minutenlang geladen werden müssen“, sagt Steinhart.
  • Er spricht sich weiters auf europäischer Ebene für eine EU-weite Quote von Mindeststudienplätzen aus. Damit soll die Sogwirkung zwischen den Ländern verringert werden. 

SPÖ will mehr Studienplätze

Nicht alle Positionen der Kammer stoßen auf offene Ohren: Dass die Ärztekammer den Vorschlag von Gesundheitsstaatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig zur Erhöhung der Studienplätze kategorisch ablehnt, sei schlicht nicht nachvollziehbar, sagt SPÖ-Gesundheitssprecher Rudolf Silvan.

Natürlich brauchen wir nicht nur mehr Ärzte, sondern auch bessere Arbeitsbedingungen. Aber das eine schließt das andere nicht aus - im Gegenteil. Es wird auch von der Ärztekammer mehr brauchen, als nur Nein zu sagen."

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