Eine Lesart lautet – und damit sind wir bei einem zweiten Faktor, welcher diese Zeit auch in kirchlicher Hinsicht spannend macht – der Papst wolle mit diesem Synodalen Prozess gewissermaßen den „Synodalen Weg“ der deutschen Bischöfe einhegen oder einfangen. Dieser nämlich sieht weitreichende Reformen für die katholische Kirche vor, welche von der Mehrheit der deutschen Bischofskonferenz unterstützt werden, aber zu einer massiven Polarisierung innerhalb des deutschen Katholizismus geführt haben. Und die nach Ansicht nicht nur prononciert konservativer Kirchenvertreter eigentlich mit der kirchlichen Lehre nicht vereinbar sind.
Dementsprechend konfrontativ verlief auch der Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe Mitte November: Insbesondere die beiden Kurienkardinäle Luis Ladaria und Marc Ouellet hatten – in danach offiziell publizierten Reden – scharfe Kritik am Synodalen Weg geübt.
Solche Spannungen sind für die Begegnungen mit den österreichischen Bischöfen nicht zu erwarten – es gibt auch hierzulande nichts, was dem Synodalen Weg vergleichbar wäre. Aber klar ist, dass die Themen, die beim großen Nachbarn verhandelt werden (Zulassungsbedingungen zum Weiheamt, Rolle der Frauen, Sexualmoral), dieselben sind, die auch die österreichische Kirche seit Jahr(zehnt)en beschäftigen. Sie werden bei uns nur „österreichischer“, also mit weniger Schärfe, diskutiert.
So gesehen ist der Synodale Weg eine sehr „deutsche“ Veranstaltung. Was zumindest manchem deutschen Bischof auch bewusst sein dürfte. So meinte etwa der Würzburger Oberhirte in einem Anflug von Selbstkritik bzw. -ironie (?), die deutsche Gründlichkeit wirke in Rom „auch Furcht einflößend“.
Das Thema, welches die kircheninteressierte Öffentlichkeit in Österreich am meisten interessiert, ist indes erklärtermaßen kein Thema bei der nächstwöchigen Visite: die Frage der Nachfolge von Kardinal Christoph Schönborn an der Spitze der Erzdiözese Wien. Als ziemlich sicher gilt mittlerweile, dass der Papst den von ihm sehr geschätzten Schönborn nicht vor Abschluss des Synodalen Prozesses entlassen wird. Diesen aber hat Franziskus erst kürzlich um ein Jahr verlängert: Die abschließende Bischofssynode findet erst im Oktober 2024 statt (im Jänner 2025 wird Schönborn 80). Den Vorsitz der Bischofskonferenz hat Schönborn bereits vor zwei Jahren abgegeben – seit 2020 steht der Salzburger Erzbischof (und vormalige steirische Weihbischof) Franz Lackner an der Spitze des Episkopats.
Er leitet demnach auch die bevorstehende Visite, in deren Mittelpunkt inhaltlich wohl der österreichische Beitrag zum Synodalen Prozess stehen dürfte. Zuletzt hatte die österreichische Bischofskonferenz plangemäß – wie alle nationalen Bischofskonferenzen – ihre sogenannte „Synthese“ nach Rom geschickt. Der gesamte Prozess läuft nun auf kontinentaler Ebene weiter, um schließlich in die genannte Bischofssynode zu münden. Diese Synthese ist das Ergebnis von Beratungen und Befragungen in den Diözesen, an denen sich rund 50.000 Personen beteiligt hatten. Themen sind die notorischen innerkirchlichen Streitfragen, der Missbrauchskomplex, aber auch soziale Fragen. Letztlich aber geht es darum, wie die Kirche an Glaubwürdigkeit und Bedeutung wieder gewinnen kann.
Die Gespräche in Rom sind streng vertraulich – über deren Inhalte dringt nichts nach außen.
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