Saudi-Zentrum steht zwischen Rot und Schwarz
Werner Faymann redet. Reinhold Mitterlehner steht neben ihm. Sein Gesichtsausdruck: missbilligend. Reinhold Mitterlehner redet. Faymanns Gesichtsausdruck: missbilligend. Verräterische Mimik nach der gestrigen Regierungssitzung. SPÖ und ÖVP streiten wieder einmal. Öffentlich und hinter verschlossenen Türen. In der Ministerratssitzung hatte Außenminister Sebastian Kurz den Bericht über das interreligiöse „Dialog“-Institut mit Saudi Arabien vorgelegt. Die ÖVP forderte, Kanzler Faymann möge sich dazu äußert und entscheiden, was mit dem Zentrum passieren soll. Faymann weigerte sich, über einen Bericht zu urteilen, den er noch nicht gelesen habe.
Die Debatte wurde heftiger. ÖVPler befanden, die SPÖ schädige mit der Kritik am Abdullah-Zentrum Österreich. Der emotionale Höhepunkt war erreicht, als während der Sitzung bekannt wurde, was ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka draußen zu Journalisten gesagt hatte: Der Kanzler solle „seine Kampagne zumindest eine Zeit lang einstellen“ und sich nicht als „Oppositionspolitiker“ gerieren. Faymann geriet drinnen in Rage: Er werde nicht zu etwas schweigen, das seinem Gründungszweck nicht gerecht werde. Und erpressen lasse er sich schon gar nicht. Das erzürnte wiederum Vizekanzler Mitterlehner. In diesem Gemütszustand traten die beiden vor die Medienleute.
Mitterlehner: „Das Zentrum hat ein klares Mandat: die Förderung des interreligiösen Dialogs. Diesem Mandat hat die Regierung zugestimmt. Wir haben keine Einrichtung geschaffen, mit der Aufgabe, Stellung zu Menschenrechten zu nehmen.Das ist kein Amnesty International.“ Wer etwas für den zu 1000 Peitschenhieben verurteilten Raif Badawi tun wolle, müsse „direkt in Saudi-Arabien anknüpfen“.
Faymann: „Wir werden nicht schweigen, wenn klare Worte gefragt sind.“
Mitterlehner: „Eine Kampagne gegen das Zentrum schadet Österreich als Standort für internationale Organisationen. Wir hätten eine subtilere Vorgangsweise begrüßt.“
Faymann: „Wer von einer Kampagne spricht, wenn man sich für Menschenrechte einsetzt, dem sage ich: Auf solche Kampagnen bin ich stolz.“ Mitterlehner: „Die Verantwortung liegt beim Herrn Bundeskanzler, auch was Konsequenzen einer Schließung anbelangt.“
Am Nachmittag wurde der Disput per Post fortgesetzt. Faymanns Intimus, Minister Josef Ostermayer, übermittelte Kurz „Voraussetzungen für die Neuaufstellung“ des Instituts. Etwa: „Die Sinnhaftigkeit einer weiteren Beteiligung Österreichs ist nur gegeben, wenn das Zentrum eine klare Haltung für Menschenrechte, Religionsfreiheit und Religionsgleichheit vertritt.“
Bundespräsident Heinz Fischer hatte den gestrigen Tag in Auschwitz verbracht und sah sich den Disput der Regierungsspitze auf Video im ZiB 2-Studio an. Auf die Frage, ob er nun wie Faymann für Schließung des Saudi-Zentrums sei, sagte er: „Man soll zuerst nachdenken.“ Er werde den Bericht des Außenministers lesen und versuchen, den Konflikt sachlich zu lösen. Auch Faymanns Ansicht, der Islam sei kein Teil Österreichs, widersprach Fischer: „Der Islam gehört zu Österreich. Die Gegenposition wäre sehr nahe an Ausländerfeindlichkeit.“
Was soll mit dem König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) passieren? Das solle Kanzler Werner Faymann entscheiden, befindet die ÖVP – und zwar auf Basis eines Berichts aus dem Außenamt.
Einen solchen hatte Faymann ja von Außenminister Sebastian Kurz eingefordert. Gestern hat der ÖVP-Minister ein 22-Seiten-Papier vorgelegt. "Der Bericht liefert zwei Optionen für das Zentrum: Neuaufstellung oder Ausstieg", erklärt Kurz. In der Unterlage aus seinem Ressort heißt es ergänzend: Eine "sofortige Schließung des Zentrums oder ein einseitig erzwungener Abzug aus Wien" wäre völkerrechtswidrig.
Das Außenamt hat einleitend dokumentiert, wie es zur Gründung der internationalen Organisation mit Sitz am Wiener Schottenring kam: Demnach hatte der (mittlerweile verstorbene) saudische König Abdullah die Idee für ein Dialog-Zentrum an Papst Benedikt XVI herangetragen, auch Spanien und die UNO hätten sich damit beschäftigt. 2010 beschloss die Regierung, sich daran zu beteiligen. 2011 unterzeichneten Spanien, Saudi-Arabien und Österreich ein Gründungsübereinkommen. Österreich schloss mit dem Saudi-Zentrum überdies ein Amtssitzabkommen ab (für den Status als internationale Organisation).
Im Bericht wird festgehalten, dass "die politische und menschenrechtliche Situation" in Saudi-Arabien zum Zeitpunkt der Gründung "nicht anders als heute" gewesen sei. Und es wird darauf hingewiesen, dass das Institut kein Geld vom Staat bekommt – und derzeit von Saudi-Arabien finanziert werde. So weit zur Vergangenheit.
Was die Zukunft betrifft, wären für eine Neuaufstellung des Zentrums u. a. mehr Vertragspartner, schärferes Auftreten gegen Menschenrechtsverletzungen und mehr Transparenz vonnöten.
Will die Republik aussteigen, müssten die zugrunde liegenden Verträge aufgekündigt werden. Dafür wären ein Beschluss von Regierung und Parlament sowie eine Ermächtigung des Bundespräsidenten erforderlich. Die Verträge treten nach drei bzw. sechs Monaten (Gründungs- bzw. Amtssitzübereinkommen) außer Kraft. Das bedeutet, wie erwähnt, dass man das Zentrum nicht sofort dichtmachen kann.
Im Bericht des Außenamts werden auch ausführlich "potenzielle Auswirkungen" für den Fall, dass sich Österreich zurückzieht, erläutert: Das Land könnte damit "seinen Ruf als verlässlicher Sitzstaat für internationale Organisationen (...) nachhaltig beschädigen". Dem österreichischen Botschafter in Saudi-Arabien seien bereits "mögliche Konsequenzen in Aussicht gestellt" worden. So könnten etwa die OPEC oder der OPEC-Fonds aus Wien abgezogen werden. Auch vor "wirtschaftspolitischen Konsequenzen" wird gewarnt. "Eine negative politische Stimmungslage" könnte heimische (Export)-Unternehmen "unmittelbar treffen".
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