Abschiebungen: 50.000 sind nur Untergrenze

SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil
Regierung will die Schlagzahl bei den Abschiebungen erhöhen - Experten warnen vor Schnellschüssen.

Ressortchef und Generalstab haben grünes Licht geben, die "Hercules" wird schon bald mit Flüchtlingen abheben: Am Sonntag erklärte Hans Peter Doskozil in der ORF-Pressestunde, dass Österreichs Militär seine größte Transportmaschine, die C130-"Hercules", ab sofort für Abschiebungen zur Verfügung stellen will. Die Diskussion, ob es in Ordnung ist, Flüchtlinge mit Militärmaschinen abzuschieben (die FPÖ hatte dies vor Monaten gefordert, weil schreiende Asylwerber ein Ärgernis in Charter-Maschinen darstellen könnten) kann der neue Verteidigungsminister nicht nachvollziehen. Quasi im selben Atemzug stellte er aber klar, dass die am Samstag durchgesickerte Zahl von 50.000 Abschiebungen bis 2019 für ihn als Regierungsmitglied keine Richtwert, sondern eher "das Mindestmaß" sei – eine Untergrenze gewissermaßen.

Längerer Dienst

Eine bemerkenswerte Feststellung traf der neue Ressortchef in Sachen Grundwehrdienst: Zwar kommt für Doskozil eine gesetzliche Verlängerung des Grundwehrdienstes nicht infrage. Wenn es aber darum gehe – wie einst beim burgenländischen Assistenz-Einsatz –, die gesamte grüne Grenze zu sichern, so müsse man damit rechnen, dass sich der Grundwehrdienst "für einzelne Einrückungstermine" allenfalls verlängern könnte – freilich als absolut letztes Mittel, "um länger durchhalten zu können".

Im Innenministerium begrüßt man Doskozils Angebot. "Es ist positiv, wenn wir nun die Maschinen des Bundesheeres verwenden können", sagte ein Sprecher zum KURIER. Gleichwohl sei die Frage, wie viele Flüge und Flugzeuge für Abschiebungen zur Verfügung stünden, nicht das größte Problem. "Unser Hauptproblem bei den Abschiebungen ist, dass betroffene Staaten nicht bereit sind, abzuschiebende Menschen bzw. Staatsbürger wieder aufzunehmen." Nicht zuletzt deshalb planen SPÖ und ÖVP, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu erweitern. Menschen, die aus Marokko, Algerien, Tunesien, Georgien, der Mongolei oder Ghana kommen, sollen mit Zehn-Tage-Schnellverfahren bearbeitet werden. Eine Maßnahme, die rechtlich noch problematisch werden könnte, wie Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk anmerkt (siehe unten).

Der von der Regierung ventilierte Wunsch, die Schlagzahl bei den Abschiebungen zu erhöhen, ist auch vor dem Plan der Regierung Merkel zu sehen, straffällige Flüchtlinge in Drittstaaten abzuschieben.

"Hysterische" Debatte

Obwohl sich SPÖ und ÖVP selbst dahingehend einig sind, dass es für die freiwillige Ausreise von Flüchtlingen bald ein Anreiz-System nach Schweizer Vorbild geben soll (500 € für die Ausreise binnen drei Monaten nach dem negativen Asylbescheid, 250 € binnen sechs Monaten), wollten es die Regierungsparteien auch gestern nicht vermeiden, öffentlich Unfreundlichkeiten auszutauschen: Nachdem Kanzler Werner Faymann ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz via Boulevard gerügt hatte, er sei bei den Rückübernahme-Abkommen mit Marokko säumig, kritisierte Reinhold Lopatka den SPÖ-Chef: Der Kanzler versuche, "von seiner Verantwortung abzulenken". Das wiederum brachte SPÖ Bundesgeschäfsführer Gerhard Schmid in Rage. Schmid hielt Lopatka vor, er agiere "hysterisch" und kopiere "zwanghaft die FPÖ-Oppositionspolitik ".

"Schlimmstenfalls droht ein Vertragsverletzungsverfahren"

Abschiebungen: 50.000 sind nur Untergrenze
Verkehr in Wien, Round Table, Ringstraße, Prof. Bernd Christian Funk, pensionierter Verfassungsjurist
Die von der Bundesregierung geplanten Verschärfungen bei der Abschiebe-Praxis sind rechtlich nicht unheikel. „Es kann zwar Schnellverfahren geben. Allerdings ändert das nichts daran, dass jeder Fall einzeln geprüft werden muss“, sagt Bernd-Christian Funk zum KURIER. Bis Mitte März soll der Verfassungsrechtsexperte für die Regierung ein Gutachten erarbeiten, in dem geklärt wird, wie die beim Asylgipfel fixierten „Richtwerte“ bzw. „Ober- und Untergrenzen“ verfassungskonform umgesetzt werden können.

Die von der Regierung in Aussicht gestellte Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten kann von Österreich nicht einfach so beschlossen werden. „Die Republik kann nicht bloß behaupten, dieser und jener Herkunftsstaat ist sicher. Sie muss dies belegen können“, sagt Funk. Andernfalls könnten Betroffene bzw. NGOs gegen Abschiebungen vorgehen. Funk: „Werden Flüchtlinge in Staaten abgeschoben, wo ihre Menschenrechte verletzt werden, verstößt das gegen die Grundrechtscharta. Schlimmstenfalls droht Österreich dann ein Vertragsverletzungsverfahren.“

Trotz eigentlich gemeinsamer Vorgangsweise hat das Thema Abschiebungen am Sonntag wieder einmal zu einem unfreundlichen öffentlichen Schriftverkehr zwischen SPÖ und ÖVP geführt. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka stieß sich an einem Zitat von Bundeskanzler Werner Faymann in der Sonntags-"Kronen Zeitung". ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz solle ein Rückübernahme-Abkommen mit Marokko verhandeln, und zwar rasch, ließ Faymann via Kleinformat ausrichten. Das wollte Lopatka so nicht hinnehmen: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel kümmere sich ja auch selbst um diese Angelegenheit, außerdem verhandle die EU-Kommission im Auftrag der Regierungschefs. Faymann versuche "von seiner eigenen Verantwortung abzulenken", so der schwarze Klubchef in einer Aussendung.

Das wiederum brachte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid auf den Plan. Er warf Lopatka vor, "zwanghaft die FPÖ-Oppositionspolitik zu kopieren" und empfahl ihm wörtlich, "endlich seinen Aufgaben nachzukommen statt jedesmal hysterisch Aussendungen zu machen, wenn jemand den Außenminister an seine Verantwortung erinnert".

In einer weiteren Aussendung klang Schmid dann sanfter, aber da ging es ja auch um Lob für den "souveränen Auftritt des neuen Verteidigungsministers", der ein "absoluter Gewinn für die Bundesregierung" sei. Das blieb allerdings vorerst die einzige begeisterte Reaktion auf Doskozils Pressestunde (siehe oben). Denn FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl fand diese gar "zum Weinen". Er vermisste vom Verteidigungsminister ein klares Bekenntnis zum Grenzschutz. Eine "krasse Fehlbesetzung" sei der Minister, so das blaue Urteil. Dem Team Stronach gehen die Abschiebungen nicht schnell genug - "sagen wir jetzt 'Stopp' und werfen wir die Hercules-Maschine an", forderte Klubobmann Robert Lugar. Kritik an der genannten Zahl von 50.000 Abschiebungen übten die Grünen. Integrationssprecherin Alev Korun sah darin "bloße Symbolpolitik, die sich in ein paar Monaten wieder als Täuschung erwiesen haben wird". ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald dagegen lobte die Ankündigung als "richtiges und wichtiges Maßnahmenpaket". Der "ÖVP-Aktionsplan Asyl" werde "schrittweise umgesetzt", freute er sich.

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