39 von 183: Wer zieht neu ins Parlament ein

39 von 183: Wer zieht neu ins Parlament ein
Premiere im Hohen Haus. Am Mittwoch werden 39 der 183 Abgeordneten zum ersten Mal angelobt werden

Am Mittwoch beginnt die 27. Gesetzgebungsperiode. 183 Abgeordnete werden angelobt, 39 von ihnen zum ersten Mal.

Der KURIER porträtiert fünf Neue aus den fünf Fraktionen.

39 von 183: Wer zieht neu ins Parlament ein

Carina Reiter, ÖVP Salzburg

Carina Reiter (30), ÖVP Salzburg

„Eine starke Stimme  für den ländlichen Raum“

Überrascht? Klar war Carina Reiter überrascht. „Immerhin hat es das vorher nie gegeben bei uns, dass wir ein zweites Grundmandat im Wahlkreis schaffen,“ sagt die Pfarrwerfenerin. Dieses Mandat bekommt jetzt sie, die im Bezirk für die Partei arbeitet. Als klar war, dass sie Abgeordnete werden wird, hat sie vor Freude geweint.

Reiter will  eine „starke Stimme für den ländlichen Raum sein“, wie sie sagt.  Infrastruktur, Regionalität, Umwelt- und Klimabewusstsein: All das geht für die 30-jährige  Bauerntochter gut zusammen.
Von einer Politiker- oder Politik-Verdrossenheit spürt sie dort, wo sie lebt und herkommt, wenig bis gar  nichts. „Die Stimmung ist gut, die Menschen freuen sich mit mir, gehen auf mich zu. Man begreift es als Chance, dass ich im Parlament sein werde.“ 45 Rinder haben die Eltern am  Hof. Dass  Themen  wie Nachhaltigkeit, Ökologie und gesunde Lebensmittel für Reiter  auf der Agenda stehen, ist selbstredend. „Und auch für die Jugendthemen fühle ich mich  aufgrund meines Alters zuständig“, sagt sie. 

Zur Angelobung nach Wien nimmt Reiter ihre beste Freundin mit. „Die Eltern schauen von zu Hause zu. Am Hof gibt’s viel Arbeit.“  Außerdem hätten  ohnehin nicht beide  im Saal sein können:  Pro Mandatar ist nur ein Gast zugelassen. Man ist noch immer im Ausweichquartier am Heldenplatz. Und da sind die Plätze auf der Zuhörertribüne knapp bemessen.

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Petra Oberrauner

Petra Oberrauner (54), SPÖ Kärnten

"Die Politik schafft keine Arbeitsplätze"

Wirtschaft. Energie. Technologie. Keine Themen, bei denen man zuallererst an  Sozialdemokraten denkt.
  Petra Oberrauner sieht das gar nicht so. Die Noch-Vizebürgermeisterin von Villach  war auch Unternehmerin,   im Unternehmensconsulting   noch dazu.  Nun wird sie Parlamentarierin.
Mit 22 Jahren war sie  Magistra, mit 25 Doktor der Bildungswissenschaften.  Über die Arbeiterkammer wurde sie einige Jahre als Expertin verliehen – nach Brüssel in die EU-Kommission

Da hatte sie auch dafür gesorgt, dass eine der großen transeuropäischen Verkehrsachsen, der baltisch-adriatische Korridor,  auch Kärnten inkludiert. „Das weiß keiner, den haben wir Kärntner in Brüssel erfunden“, erzählt sie stolz. Sie kümmerte sich um die internationalen Beziehungen beider Kärntner Olympia-Bewerbung 2006, die grenzübergreifend mit Italien und Slowenien hätte stattfinden sollen. Und landete schließlich in der Villacher Stadtpolitik.

Dort hat der Tech-Konzern Infineon massiv investiert, insgesamt 1,7 Milliarden Euro. „Die Politik schafft ja keine Arbeitsplätze, da braucht es Verständnis für die Wirtschaft, sonst können wir nicht wachsen und Arbeitsplätze geschaffen werden.“ Diese „Kreislaufwirtschaft, jeder hängt vom anderen ab“ – auch dafür will sie sich in Wien  stark machen.

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Michael Schnedlitz, FPÖ Niederösterreich

Michael Schnedlitz (35), FPÖ Niederösterreich

"Ordentlich Respekt vor der Aufgabe"

Er ist neu – und irgendwie auch  wieder nicht. Denn für Michael Schnedlitz ist die professionelle Politik nichts völlig Neues: In Wiener Neustadt ist Schnedlitz stellvertretender Bürgermeister bzw. Stadtrat, er war Abgeordneter im Landtag und kennt als Geschäftsführer das tägliche Politik-Geschäft. „Aber der Nationalrat“, sagt er, „ist dann doch noch eine andere Kategorie. Ich hab’ großen  Respekt vor der Aufgabe.“


So sah die Sache übrigens auch Schnedlitz‘ Vater.   „Ich hoffe, Du trägst das Amt  mit Verantwortung“, hat er dem 35-jährigen Sohn  am Telefon gemahnt, als  klar war, dass dieser  ins Hohe Haus einziehen würde.

Als Teenager sind Schnedlitz und sein Zwillingsbruder von einem Bergbauernhof in Murau nach Wiener Neustadt übersiedelt – das Militärgymnasium versprach mehr Abenteuer als das Obersteirische.  

Was sind die Inhalte, mit denen er   im Parlament punkten will? „Ich bin in Wiener Neustadt amtsführender Stadtrat für Soziales, hab’ damit täglich zu tun. Das werde ich auf Bundesebene einbringen.“ Sein zweites Thema ist  Integrations- und Migrationspolitik: „Da gibt’s jede Menge Themen, die gelöst gehören.“ Schnedlitz gehört  zu jenen in der FPÖ, die  gerne regieren. „Aber es ist klar, dass wir uns nicht diktieren lassen, wer welche Funktion übernimmt. Das entscheiden wir selbst.“

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Süleyman Zorba, Grüne Niederösterreich

Süleyman Zorba (26), Grüne Niederösterreich

"Freies Mandat ist bei uns keine leere Worthülse"

Von 0 auf 26 Abgeordnete ist der Grüne Klub nach der Nationalratswahl angewachsen. Er ist so jung (Altersschnitt 41,7 Jahre), so weiblich (58 Prozent Frauenanteil) und so multikulti (25 Prozent mit Migrationshintergrund) wie kein anderer Klub. Auf dieses „bunte Team“ ist Süleyman Zorba stolz.

Zorba, geboren in der Türkei, ist mit 26 Jahren der Jüngste im Klub und Selfmade-Politiker. 2013 hat dem IT-Techniker in seiner Heimatstadt Traismauer „so einiges nicht getaugt“, erzählt er. Eine grüne Ortsgruppe, wo er hätte andocken können, gab es nicht. Also hat der frühere Greenpeace-Aktivist (der sich, nebenbei bemerkt, nie an einen Baum oder sonst etwas gekettet hat) eine eigene Ortsgruppe gegründet. Sein Schwerpunkt liegt auf Netzpolitik, auch Landflucht beschäftigt den Niederösterreicher.


Im Gemeinderat ist Zorba grüner Einzelkämpfer, im Nationalrat wird er Teil eines Klubs, der den Parlamentarismus anders anlegen will als die Alteingesessenen. „Bei uns ist das freie Mandat keine leere Worthülse“, betont er. „Klubzwang“, wie er vielfach praktiziert wird, gebe es nicht. Für die ÖVP, die gerade mit den Grünen sondiert, stellt die fehlende Disziplin ein Risiko dar, wenn es um nötige Mehrheiten im Parlament geht.

Zorba sieht das anders. „Meinungsvielfalt“, meint er, „ist keine Last, sondern etwas Schönes, eine Bereicherung“.

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Fiona Fiedler, Neos  Steiermark

Fiona Fiedler (43), Neos  Steiermark

Gleiche Chancen für alle – "sonst werde ich grantig“

Die Mutter war ÖVP-Wählerin, der Vater ein „Kärntner Ur-Blauer“. Fiona Fiedler hat als Heranwachsende einen weiten Bogen um Politik gemacht.

Der Radius hat sich verkleinert, als die 43-Jährige als Volksschullehrerin feststellen musste, dass beim Thema Bildung einiges im Argen liegt.  Im KURIER-Gespräch erzählt die neue Neos-Abgeordnete etwa von einem Erstklässler, der verhaltensauffällig war: „Im Bürokratie-Wahnsinn hat es ein halbes Jahr gedauert, bis wir eine Betreuungslehrerin für ihn bekommen haben.“  
Eingestiegen ist sie schließlich in die Politik, weil sie der Bildungsschwerpunkt bei Neos gereizt hat. Laut pinkem Slogan steht ja „Bildung über allem“. Bei Neos kann sich jeder um eine Kandidatur bewerben, die Grazerin hat es gewagt – und wurde prompt Listenerste in der Steiermark.  


Fiona Fiedler, die vor ihrer (eher späten) Berufung als Volksschullehrerin viele Jahre in der Gastronomie tätig war, will sich im Parlament dafür einsetzen, dass eine „echte Schulautonomie“ eingeführt wird. „Schulen sollen endlich eigenständig entscheiden können, wo sie Schwerpunkte setzen, und wie sie Lehrer einsetzen.“ Sozial Schwache bräuchten eben mehr Unterstützung, man müsse schon bei den Kleinsten anfangen. Das Stichwort für sie ist Chancengleichheit. „Wenn sich jemand bemüht und nicht die Möglichkeiten hat – da werde ich grantig.“

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