27 EU-Vertragsverletzungen: Warum Österreich verwarnt wird

Mögliche Sanktionen in Millionenhöhe, Streit zwischen türkis-grünen Koalitionspartnern und Druck von der EU. Durch den Rückzug des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) droht Österreich nun ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission. Doch was bedeutet das alles überhaupt?
Was nach einem Vertragsbruch der Österreicher passiert
Die EU-Kommission, auch „Hüterin der EU-Verträge“ genannt, überwacht die ordnungsgemäße und rechtzeitige Ausführung der EU-Rechtsvorschriften. Österreich verstößt derzeit mit dem Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) gegen seine Pflichten. Aus diesem Grund leitet die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren ein.
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Das wird formal mit einem Aufforderungsschreiben als Verwarnung, dem sogenannten blauen Brief, an Österreich geschickt. Die Regierung hat zwei Monate Zeit der Aufforderung zu folgen und Stellung zu beziehen. Kommt der Staat dem nicht nach, kann die EU-Kommission ein Verfahren einleiten.
Was passiert, wenn Österreich nicht handelt?
Stellt die Kommission einen Verstoß gegen eine bestehende Regelung fest, so kann der Europäische Gerichtshof eingeschaltet werden. Das geht so: Erhebt die EU-Kommission tatsächlich eine Vertragsverletzungsklage, muss der Europäische Gerichtshof entscheiden, ob Österreich das europäische Recht erfüllt oder verletzt.
„Als Verfahrensschritte gibt es ein schriftliches Verfahren, die Klage der Kommission, dann die Antwort des Mitgliedstaates. Manchmal gibt es eine mündliche Verhandlung und dann entscheidet der Gerichtshof mit einem Urteil. In diesem steht, ob die Vertragsverletzung besteht, nicht besteht oder nur teilweise besteht“, erklärt der Innsbrucker Europarecht-Experte Walter Obwexer.
Stellt der Europäische Gerichtshof eine Vertragsverletzung fest, ist Feuer am Dach: Sollte die Regierung weiterhin nicht reagieren, darf die Kommission ein zweites Verfahren einleiten. Dieses kann finanzielle Sanktionen zur Folge haben. Walter Obwexer warnt davor, Urteile zu ignorieren: „Das können sogar tägliche Millionenbeträge sein.“
Wie häufig werden Verfahren eingeleitet?
Allein 2023 hat die EU-Kommission 2.016 Vertragsverletzungsverfahren begonnen. Die meisten anhängig hat Spanien vor Griechenland, Österreich ist mit derzeit 27 Verfahren in etwa im EU-Durchschnitt. Die Bundesregierungen Österreichs haben stets den Anweisungen des Gerichtshofs gefolgt und mögliche Sanktionen verhindert. Europäische Staaten wie Ungarn oder Polen halten sich nicht immer an die verhängten Urteile. Beide Staaten haben aktuell Sanktionen in Millionenhöhe offen.
Von Fabian Balber
- 46 - Spanien führt
Der EU-Staat Spanien hatte zwischen 2019 und 2022 die meisten Vertragsbruchverfahren unter den Mitgliedsstaaten. - 27 - Österreichs Schnitt
Die Anzahl der von 2019 bis 2022 eingeleiteten Vertragsverfahren gegen Österreich liegt im EU-Schnitt (26). Aktuell sind es auch 27 Verfahren. - 1.000.000 - Strafe pro Tag
Polen wurde vom EuGH unlängst zu einer Strafe von täglich einer Million Euro verurteilt – wegen Abbau des Rechtsstaats.
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