200 Jahre Wiener Kongress: Galopp durch die Geschichte

Schlussakte des Wiener Kongresses 1815.
Wo heute wöchentlich der Ministerrat tagt, verhandelten Europas Granden 1814/1815 eine neue Ordnung für den Kontinent.

Im Kongresssaal des Bundeskanzleramtes, wo wöchentlich das Pressefoyer nach dem Ministerrat stattfindet, tagten vor 200 Jahren die Mächtigen des Kontinents, Europa musste nach einer Serie von Kriegen und der Niederlage Napoleons neu geordnet werden.

Die Fäden zog geschickt Fürst Metternich. Nicht nur am Verhandlungstisch, sondern auch bei Festen in diversen Salons. Metternich, ein Kontroll-Freak, wusste genau, dass detailreiche Informationen eine gefährliche Waffe sind und Macht bedeuten.

So ließ er in den Plafond des Verhandlungssaales Luken bohren, durch die Spitzel alles verfolgten. Auf Schritt und Tritt wurden gekrönte Häupter, Diplomaten und Mätressen überwacht. Die brisanten Protokolle – teilweise durch das Feuer im Justizpalast im Juli 1927 angesengt – sind derzeit in einer Ausstellung mit dem Titel Idee Europa. 200 Jahre Wiener Kongress im Bundeskanzleramt zu sehen. "Diese Akten sind eine Metapher für unsere Zeit", betont Wolfgang Maderthaner, Direktor des Staatsarchivs, in Anspielung an NSA- und BND-Skandale.

Die Spitzelberichte sind ein Hotspot der sehenswerten Schau am Ballhausplatz 2. Zu sehen ist auch das in Samt gebundene Schlussdokument des Wiener Kongresses.

Auch andere Original-Dokumente sind zu besichtigen – von Urkunden des Osmanischen Reiches bis hin zum EU-Beitrittsvertrag. Jahrzehnte werden in der Ausstellung übersprungen, dennoch wird versucht, Antwort auf eine Frage zu geben: Was hat der Wiener Kongress bewirkt? "100 Jahre Frieden bis zum Ersten Weltkrieg, dann folgten Nationalismus, Faschismus und Stalinismus. Aus der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und dem Holocaust entwickelte sich das europäische Friedens- und Integrationsprojekt. Der Wiener Kongress war das folgenreichste Ereignis in der neueren Geschichte des Kontinents", analysiert Zeithistoriker Maderthaner.

Zu wenig Europa

Die Ausstellung will den Bogen von 1815 bis heute spannen. Leider wird die Schau, die von Sektionschef Manfred Matzka initiiert wurde, der "Idee Europa" und der aktuellen Lage nicht gerecht.

In einem windigen Durchgang werden 20 Jahre EU-Mitgliedschaft abgehandelt. Broschüren der Wirtschaftskammer und der EU-Kommission stehen zur Verfügung, von den Wänden dröhnt eine Dokumentation. Das große politische Projekt der Zweiten Republik, die EU-Integration Österreichs, wird mit wenig attraktiven Politiker-und Experten-Statements sowie lieblosen Texten im Ausstellungskatalog erklärt. Ein paar erklärende Schautafeln und Stimmen aus der Bevölkerung – von EU-Befürwortern und EU-Skeptikern – wären eine sinnvolle Bereicherung.

Bis auf den EU-Teil ist die Ausstellung aber sehr informativ und hat Erlebnischarakter: der Besucher wird wie bei einem Parcours vom Ballhausplatz durch den inneren Burghof bis in die Hofburgkapelle geführt, wo Beethovens Oper "Fidelio" erklingt. Auch damit wird an die Gegenwart erinnert, an die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer und die vielen Menschen, die bisher auf ihrer Passage in die Freiheit sterben mussten.

Tipp

Die Ausstellung läuft bis Ende Oktober und ist von Mo bis Sa von 10–17 Uhr geöffnet. Freier Eintritt. Anmeldung für Führungen: Kongress2015@bka.gv.at

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