129.000 Euro Gewinn: Volksbegehren als lukratives Geschäftsmodell
Für zwölf neue Volksbegehren wurden aktuell Einleitungsanträge beim Innenministerium gestellt. Darunter befinden sich Forderungen wie „Frieden durch Neutralität“, „Essen nicht wegwerfen“ oder „Kein Elektroauto-Zwang“. Wer nun glaubt, dass all diese Themen nur als Beweis für die direkte Demokratie unter das Volk gebracht werden, der muss enttäuscht werden. Vielmehr scheinen wenige Gruppen die Volksbegehren als einfaches und sehr lukratives Geschäftsmodell entdeckt zu haben.
Die oberste Wahlbehörde hat vier Gruppen ausfindig gemacht, die immer wieder als Bevollmächtigte auf Volksbegehren aufscheinen. Und auch ausgerechnet, wie viel diese seit dem Jahr 2018 daran verdient haben müssten. Bei den erfolgreichsten Proponenten sind es 129.853,20 Euro, eine weitere Gruppe brachte es bisher nur auf 12.069 Euro.
Das Einnahmenmodell ist rasch erklärt: Für die Einreichung eines Volksbegehrens sind Auslagen in der Höhe von 3.421,50 Euro notwendig. Wenn dieses dann die Marke von 100.000 Unterschriften, die eine Behandlung im Nationalrat zur Folge hat, erreicht, wird die Summe fünffach refundiert. Damit kann pro Volksbegehren immerhin ein Überschuss von 13.686 Euro erzielt werden.
Zahl der Volksbegehren explodiert
Möglich ist das, weil der Gesetzgeber die Kosten nicht neu geregelt hat, als am 1.1. 2018 das neue Volksbegehrengesetz in Kraft getreten ist. Seit damals müssen Bevollmächtigte keinerlei Drucksorten mehr vorbereiten. Außerdem darf seither die Eintragung auch online erfolgen. Die Kostensätze mit der fünffachen Refundierung wurden allerdings aus dem Jahr 1999 übernommen, als die Initiatoren von Volksbegehren noch jede Menge an Drucksorten selbst produzieren und bezahlen mussten.
Robert Stein, der ehemalige „Mister Wahl“ des Innenministeriums, war damals Chef der obersten Wahlbehörde. Seiner Meinung hat 2017 der Gesetzgeber nicht genau hingeschaut und deshalb die alten Beträge übernommen. Stein: „Im neuen Volksbegehrengesetz wurden die alten Wertgrenzen leider nicht geändert.“
Jedenfalls haben einige Gruppen sofort entdeckt, dass ein erfolgreiches Volksbegehren einen satten Gewinn ermöglicht. Kein Wunder, dass die Zahl der Volksbegehren seit 2018 explodiert ist.
Ja-/Nein-Volksbegehren
In den Jahren 2018 bis 2020 wurden zwischen 8 und 15 Registrierungen von Volksbegehren gezählt. 2021 waren es schon 26, im Jahr 2023 sind es 58. Eine Gruppe von fünf Personen erzielte 2022 einen Reingewinn von 23.069,60 Euro, heuer waren es bereits 73.783,60 Euro. Dabei wurden teilweise widersprüchliche Volksbegehren eingereicht: „Impfpflicht ja“ und „Impfpflicht nein“ oder „Bargeld-Zahlung-Obergrenze ja“ und „Bargeld-Zahlung-Obergrenze nein“. Die Variante, die von Beginn an besser gelaufen ist, wurde eingeleitet, die gegenteilige Variante zurückgezogen.
Am öftesten tauchen bei den Bevollmächtigten für Volksbegehren die Namen des Anwalts Marcus Hohenecker und des Aktivisten Robert Marschall auf. Letzterer war mehrmals erfolglos als EU-Gegner bei Wahlen angetreten. Für ihn ist der Vorwurf des Geschäftsmodells eine „Diffamierungsstrategie“. Niemand wisse, wie viel Arbeit hinter einem Volksbegehren stecke. Seiner Meinung nach könnten die Refundierungen auch gestrichen werden, „wenn auch die Gebühren für die Einleitung gestrichen werden“.
Volksbegehren
Seit dem Jahr 2018 gibt es das neue Volksbegehrengesetz. Seither sind Unterstützungen und Eintragungen auch online möglich. So wurde das Erreichen der 100.000 Unterschriften für ein erfolgreiches Volksbegehren erleichtert
58 Volksbegehren
wurden im Eintragungszeitraum 2023 registriert. Zum Vergleich: In den Jahren 2018 und 2019 waren es jeweils nur 3 gewesen. So richtig angekurbelt wurde das Ganze im Jahr 2021. Da wurden 26 Volksbegehren registriert, 2022 waren es 55
Die Erfolgsrechnung
Bei der Anmeldung fallen 622 Euro an Kosten an. Bei der Stattgebung eines Einleitungsantrags müssen weitere 2.799,50 Euro
entrichtet werden. Im Gegenzug wird das Fünffache der Summe rückerstattet, wenn ein Volksbegehren die Marke von 100.000 Unterschriften überschreitet. Bei dem Rechenbeispiel wären das 17.107,50 Euro
129 Tausend Euro
an Reingewinn konnte eine Gruppe seit 2018 verzeichnen, die immer wieder Volksbegehren in Angriff nimmt. Eine weitere Gruppe ist auf 84.604,80 Euro gekommen
Der Ablauf
Begonnen wird mit einer Anmeldung. Dann folgen Registrierung und Unterstützungsphase. Dafür hat man maximal zwei Jahre Zeit. Gibt es mehr als 8.969 Unterstützer, muss ein Einleitungsantrag gemacht werden. Dann folgt die Eintragung. Bei über 100.000 Unterschriften muss sich der Nationalrat damit befassen
Volksbegehren gegen die Volksbegehren
Absolut davon überzeugt, dass mit dem Instrument Volksbegehren „Schindluder“ getrieben und Steuergeld zweckentfremdet wird, ist Manuel Plöchl. Aufgrund seiner Erfahrungen als Meldeamts- und Standesbeamter hat er als Privatperson im Juni selbst das Volksbegehren „Stoppt die Volksbegehren-Bereicherung“ eingeleitet.
„Ich bin überzeugt, dass etliche Private das System als Geschäftsidee für sich entdeckt haben“, sagt Plöchl, der im Gemeindeamt von St. Andrä-Wördern in Niederösterreich arbeitet. Dort ist er seit 1999 beschäftigt. Dabei ist ihm die rasante Zunahme der Volksbegehren, die zu einem großen Teil immer von bestimmten Personen eingebracht werden, aufgefallen. „Für mich steckt da definitiv eine finanzielle Motivation dahinter. Es geht um die staatliche Entschädigung in der Höhe von knapp über 17.000 Euro, wenn ein Volksbegehren über 100.000 Unterschriften erreicht“, so Plöchl. Die steuerfreie Abgeltung sei gesetzlich fünfmal so hoch wie der Aufwand fixiert worden.
Zusatzeinkommen
Manchen Aktivisten gelinge es, vier bis fünf Volksbegehren pro Jahr samt den 100.000 Unterschriften durchzubringen und sich ein nettes Zusatzeinkommen zu verschaffen, kritisiert Plöchl.
Gegenargumente, dass die Nutzung demokratischer Mittel auch Geld koste und Volksbegehren Werbekosten verursachen, um letztendlich erfolgreich abzuschneiden, lässt der Gemeindebedienstete für viele Fälle nicht gelten.
Mit dem eigenen Volksbegehren will er das Gegenteil beweisen. Über 7.000 Unterstützer hätten bereits unterschrieben. Bislang habe er die Pflichtanmeldegebühr von 622 Euro sowie 19 Euro für eine eigene Website als einzige Werbeaktion ausgegeben. Plöchl ist überzeugt, dass er die erforderlichen 8.969 Unterschriften für die Eintragungsphase erreichen wird. Dann wird er den erforderlichen Druckkostenbeitrag von 2.799, 50 Euro einzahlen, damit sein Protestbegehren in die Eintragungsphase kommt. Ob ihm dann selbst der Geldsegen winkt, kann er noch nicht abschätzen.
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