Hollande: Die Revanche des Witzbolds
Auf seinen Humor kann und will Francois Hollande noch immer nicht komplett verzichten. Der sozialistische Präsidentschaftskandidat, einst ein pausbäckiger Witzbold, hat zwar Körpergewicht und Hang zu Späßchen gleichermaßen unter Kontrolle gebracht. Aber wenn er seiner Neigung freien Lauf lässt, dann wirkt sein Witz wie eine scharfe Klinge.
Zuletzt traf es Außenminister Alain Juppé. Als Stellvertreter von Präsident Nicolas Sarkozy lief er in einem TV-Duell dem SP-Kandidaten ins Messer. Ausgerechnet Juppé, der als Premier 1995 mit seiner überheblichen Art zu einer verheerenden Wahlniederlage seines Lagers beigetragen hatte, warf Hollande „Arroganz“ vor. Darauf entspann sich folgender Dialog. Hollande: "In Sachen Arroganz muss jeder sein eigenes Gewissen prüfen." Juppé: "Das habe ich längst getan." Hollande: "Es kann zu Rückfällen kommen." Juppé erblasste, Interviewer und Publikum brachen in Gelächter aus.
Unterschätzt
"Hollande ist die längste Zeit unterschätzt worden", analysiert der Politologe Alain Duhamel: "Weil er sich als ein normaler Präsident anpries, schien er in der post-monarchischen Politkultur Frankreichs zu wenig erhaben, zu weich. Unsinn! Hollande ist ein talentierter Politiker, kein virtueller absoluter Herrscher."
In der Vorwoche kam dieses Talent zum Tragen. Im Beisein einer der beliebtesten Persönlichkeiten Frankreichs, des Ex-Tennischampions und mäßig begabten Schlagersängers Yannick Noah (eine Art französischer Hansi Hinterseer) absolvierte Hollande einen mitreißenden Auftritt von 20.000 begeisterten Anhängern. Verdattert über den unerwarteten Enthusiasmus verfiel das Regierungslager in Schockstarre. Eine Umfrage erbrachte sagenhafte 70 Prozent für Hollande im Fall einer Stichwahl gegen Sarkozy.
Schließlich präsentierte Hollande ein detailliertes Wirtschaftsprogramm und fegte damit den Vorwurf vom Tisch, er würde sich um klare Ansagen drücken. Quintessenz: Durch stärkere Besteuerung von Spitzenverdienern, Großvermögen, Konzernen und Banken könne das Land seinen Schuldenberg abtragen. Der überwiegende Rest der Bevölkerung würde ohne weiteren Aderlass davonkommen. Letzteres hat freilich sogar bei Kommentatoren, die Hollande nahestehen, Bedenken ausgelöst – auch wenn eine Steuerkorrektur zulasten der Spitzenverdiener auch von Zentrumspolitikern gefordert wird.
Hollande muss aber um viele verbitterte Franzosen kämpfen, um überhaupt in die Stichwahl zu gelangen. Denn die Präsidentenwahl hat zwei Durchgänge: Für den ersten Wahlgang Ende April ist der Umfrage-Vorsprung von Hollande gar nicht so groß. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen, ein Zentrumspolitiker und ein Linkssozialist können noch aufholen. So ist der prophezeite Triumph von Hollande über Sarkozy ein Zeichen für den vorläufigen Überdruss gegenüber dem Präsidenten, aber keine Siegesgarantie.
Präsidentenwahl: Das Verfahren
Zwei Durchgänge Der erste Durchgang der Präsidentenwahl findet am 22. April statt, die bisher immer nötige Stichwahl am 6. Mai. Falls kein Bewerber die absolute Mehrheit erreicht hat, treten dabei die beiden stimmenstärksten Kandidaten gegeneinander an. Seit 1962 wird der Präsident direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit dauert fünf Jahre.
Voraussetzung Um kandidieren zu können, muss der Bewerber mindestens 23 Jahre alt sein und mindestens 500 Unterschriften von Unterstützern sammeln, die selbst gewählte politische Ämter innehaben – also Abgeordnete, Senatoren, Regionalräte und Bürgermeister.
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