Gusenbauer: "Ein Spiel mit dem Feuer"

Die nie bewiesene Erklärung seines Sprechers: man sei von der Polizei gelotst worden sei.
Der Ex-Bundeskanzler warnt vor einer Schockwelle für Europa bei einem Austritt Griechenlands aus dem Euro.

Ein Resümee über die Eurokrise zieht Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer.

KURIER: Herr Dr. Gusenbauer, wo stehen wir in der Eurokrise? Ist das Ärgste überstanden oder kann es noch schlimmer werden?

Alfred Gusenbauer: Mit dem Fiskalpakt ist ein erster Schritt gemacht, der zu einer gewissen Beruhigung der Märkte geführt hat nach den panikartigen Aktionen, die es im Dezember gab. Wir haben jetzt eine Kombination von drei Krisen in Europa: Die Staatsschuldenkrise, die Wettbewerbskrise der mediterranen Staaten und eine generelle Wachstumskrise, weil wir leider für heuer eine Rezession erwarten. Auf eine von den drei Krisen haben wir eine Teilantwort gefunden, aber wenn wir nicht alle lösen, kommt noch eine politische Krise dazu.

Einwand: Gibt es nicht in Italien Fortschritte bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit?

Die Liberalisierungen in Italien sind richtig. Italien verfügt über große wirtschaftliche Substanz, eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kann dort relativ rasch zu Wachstum und Beschäftigung führen. Kehrum wissen wir aber nicht, wie lange das Parlament und die Bevölkerung die Maßnahmen der Regierung Monti akzeptieren werden.

In Portugal gibt es eine neu gewählte Regierung mit einer soliden Parlamentsmehrheit, die gewillt ist, zu sparen. Dennoch ist Portugal ein Krisenherd. Warum?

Die portugiesische Wirtschaft schrumpft. Bei schrumpfender Wirtschaft führt selbst der stärkste Sparkurs nicht zu sinkenden Staatsschulden. Im Gegenteil. Man muss den Fiskalpakt dringend ergänzen durch Wachstumsimpulse.

Die EU will zu dem Zweck Fördertöpfe ausräumen ...

Mit dem Problem, dass, wie Gio Hahn gesagt hat, das meiste Geld bereits vergeben ist. Durch eine Kapitalaufstockung bei der Europäischen Investitionsbank könnte man zusätzliche Mittel bekommen. Und man sollte durch staatliche Anreize privates Investorenkapital mobilisieren.

Wo soll investiert werden?

In Infrastruktur, das hilft auch langfristig. In erneuerbare Energie, weil das nicht nur Wachstum und Beschäftigung schafft, sondern auch die Leistungsbilanz der betroffenen Ländern verbessert. Und in Bildung.

In Griechenland sind die Folgen von Überschuldung und Sparkurs inzwischen sehr krass. Verzweiflung und Armut steigen. Würde den Griechen ein Ausstieg aus dem Euro helfen?

Ich bin kein Anhänger dieser These. Es würde Inflation entstehen, das Einkaufen würde teurer. Vielleicht würde die Wettbewerbsfähigkeit schneller angepasst, aber ehrlich gesagt: Bei einem derart geringen Anteil an exportorientierter Industrie sehe ich nicht, wie das kurzfristig viel bringt. Und Neuansiedlungen gehen nicht von heute auf morgen.

Das Vertrauen der Finanzmärkte in die Eurozone würde nachhaltig erschüttert. Es würde sofort die Frage gestellt: Welches Land ist das nächste?

Die Eurozone würde finanziell austrocknen, Staaten, Banken aber auch für private Aktivitäten würde das Geld ausgehen. Die Spekulation mit dem Austritt Griechenlands ist ein Spiel mit dem Feuer. Sie erinnert mich an 2008, als viele gefragt haben: Warum kann man nicht eine Bank pleitegehen lassen? Dann ging Lehman über den Jordan. Ab diesem Zeitpunkt hat man die ganze Welle nicht mehr stoppen können. Der wirtschaftliche Schaden wurde um ein Vielfaches größer, als die Kosten für eine Lehman-Rettung gewesen wären. Zu sagen, lassen wir die doch pleitegehen, ist infantil. Man könnte damit eine Lawine lostreten, die nicht mehr zu stoppen ist.

Finanzexperten sagen, das Vertrauen der Finanzmärkte wird erst völlig wiederhergestellt sein, wenn Europa politisch handlungsfähig wird. Wenn es also so etwas wie eine europäische Regierung gibt. Sehen Sie das auch so?

Es ist sicher so, dass eine größere politische Handlungsfähigkeit ein positives Signal für den globalen Kapitalfluss nach Europa ist.

Die Sozialdemokraten wollen bei der nächsten EU-Wahl einen europaweiten Spitzenkandidaten zur Wahl stellen, also einen europäischen „Kanzlerkandidaten“.

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Wähler wollen wissen, wer kandidiert. Und der, dessen Partei gewinnt, wird Präsident der Kommission.

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