Großbritannien: Cameron gegen Johnson

Boris Johnson.
Premier Cameron muss sich beim Parteitag gegen einen Herausforderer aus den eigenen Reihen verteidigen: Boris Johnson.
Großbritannien: Cameron gegen Johnson
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Es war die perfekte Gelegenheit, um Unruhe zu stiften – und solche Gelegenheiten lässt Londons Bürgermeister nur ungern aus. Morgen, Sonntag, versammelt sich seine Partei, Großbritanniens regierende Konservative, zu ihrem Parteitag. Boris Johnson aber rief noch am Donnerstag völlig überraschend die Presse zu sich, um dem Parteichef, Premierminister David Cameron, in aller Öffentlichkeit seine jüngste Forderung auf den Weg mitzugeben.

Londons chronisch überlasteter Flughafen Heathrow, tönte der blonde Hüne wortgewaltig, dürfe nicht ausgebaut, sondern müsse ersetzt werden. Der Premier habe jetzt wirklich genug Zeit gehabt, um eine Entscheidung zu treffen.

Doch dieser Premier hat derzeit andere Sorgen. Die beinharte Sparpolitik, die er seit der Machtübernahme 2010 den Briten verordnet hat, hat nicht nur das Land noch tiefer in die Krise geritten, sondern dazu auch gleich die Partei.

Tiefpunkt für Cameron

Großbritannien: Cameron gegen Johnson

Jüngste, zum Beginn des Parteitags veröffentlichte Umfragen zeigen die konservativen Tories auf dem niedrigsten Stand seit dem Wahlsieg, zehn Prozent hinter der Labour-Opposition. Cameron persönlich ist vom lange als Bubi belächelten Labour-Chef Ed Miliband abgehängt worden.

Noch unbeliebte r ist der zweite Mann im Kabinett, Finanzminister John Osborne. Der eiserne Neoliberale, der für die anhaltende Rezession verantwortlich gemacht wird, wird auch innerhalb der Konservativen längst als Ablösekandidat gehandelt.

Probleme, die derzeit nur einem in der angeschlagenen Regierungspartei nichts anhaben können: Boris Johnson. Der inzwischen zum zweiten Mal gewählte Bürgermeister erlebt seit den Olympischen Spielen in London einen politischen Höhenflug. Der Exzentriker mit dem zu jeder Tages- und Nachtzeit ungebändigten blonden Wuschelkopf hat in diesen letzten Wochen einfach keine Gelegenheit ausgelassen, um sich öffentlich zu präsentieren.

Und skurrile Auftritte mit unverkennbar britischem Humor sind die Stärke des ehemaligen Journalisten: Ob der studierte Altertumsforscher bei einer Gala auf einmal seine Rede auf Altgriechisch hält, es sich im olympischen Dorf auf einem Bett für Athleten gemütlich macht oder per Hochseil quasi in die olympische Arena einfliegt. Dass das Seil plötzlich stecken blieb und Johnson hilflos in der Luft hing, wäre für andere Politiker in ein mediales Desaster ausgeartet. Doch der Bürgermeister schwenkte in luftiger Höhe vor den Tausenden Fotografen fröhlich weiter die britische Fahne, als ob ihm nichts die gute Laune verderben könnte.

Und gute Laune ist die große Stärke von Bo-Jo, wie die Londoner ihren Bürgermeister nennen. Die zu verbreiten, gelingt ihm auch in Krisenzeiten – und zwar flächendeckend. Selbst Oppositionspolitiker gestehen Johnson Charisma, aber auch taktisches Geschick zu. "Er macht nichts, ohne den eigenen politischen Vorteil im Auge zu haben", urteilt ein Labour-Stratege.

Was Johnson tatsächlich im Auge hat, darüber spekulieren Großbritanniens Medien längst auf ihren Titelseiten: Er wolle Cameron als Parteichef und danach auch als Premier beerben.

Johnson selbst will davon natürlich nichts wissen. Er habe in London genug zu tun. Gleichzeitig aber nützt er – wie eben im Fall des Flughafens – jede Gelegenheit, um dem Premier öffentlich Ratschläge zu erteilen. Die Wirtschaft, meinte er kürzlich etwa, könne man nur in Schwung bringen, "wenn man Steuern senkt, gesetzliche Beschränkungen zurechtstutzt und Gas gibt." Cameron, trat er gleich noch einmal kräftig nach, "muss endlich aufhören, zaghaft auf der Stelle zu treten".

Dabei wird eines deutlich: Johnson ist kein bisschen weniger rechtsliberal als das Duo Cameron-Osborne, doch die Leichtigkeit und bubenhafte Frechheit, mit der er seine Thesen anbringt, lassen Medien und Landsleute die harte Botschaft glatt überhören.

Charmante Grobheiten

Großbritannien: Cameron gegen Johnson

Auch auf diesem Parteitag wird sich niemand um Boris Johnsons politische Ansichten kümmern, sondern um die Show, die er bei seinem Auftritt am kommenden Dienstag bieten wird – und natürlich, ob er David Cameron wieder einmal ein paar charmante Grobheiten ausrichten lässt. Der ist nämlich erst am Tag danach dran, wenn der Herr Bürgermeister die Lacher schon auf seiner Seite hat. Cameron ist dann für die Probleme zuständig – und eines davon, wie der erwähnte Labour-Stratege böse anmerkt, "heißt Boris Johnson".

Cameron, Johnson: Ungleiche Gegner

Boris Johnson Der 48-jährige Bürgermeister von London (seit 2008) ist für sein exzentrisches Verhalten berüchtigt. Er lässt keinen verrückten Auftritt und auch keinen provokanten Sager aus. Der Spross einer türkischen Adelsfamilie hat beste Kontakte zur Queen und der königlichen Familie. Er hat an der Elite-Uni Oxford Altertumswissenschaften studiert. Johnson war vor seiner Karriere als Politiker lange Journalist und gab unter anderem das konservative Polit-Magazin "The Spectator" heraus. Er machte sich durch provokante Leitartikel, aber auch durch spektakuläre Auftritte in TV-Talkshows einen Namen. Als Bürgermeister Londons punktet er weniger durch die gut funktionierende Verwaltung, als vielmehr durch überraschende Ideen. Die überall zur Verfügung stehenden Mietfahrräder werden nicht umsonst Boris-Bikes genannt.

David Cameron Der Premier (44) gilt als braver Familienmensch. Als Sohn eines Börsenmaklers absolvierte er Englands exklusivste Schulen und Universitäten. Schon unter der legendären Premierministerin Margaret Thatcher bewegte er sich in den innersten Zirkeln der konservativen Partei.

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