Gemeindefusion: Umstrittene Hochzeiten

Gemeindefusion: Umstrittene Hochzeiten
Gemeinden: Während Experten bundesweit für Zusammenlegungen plädieren, formiert sich in der Steiermark Widerstand.

Der oststeirische Bürgermeister ist sauer: "Die Gemeindefusionen sind ein Solo von Landeshauptmann Voves und seinem Vize Schützenhöfer. Das Ganze ist kein demokratischer Prozess." Seinen Namen will der ÖVP-Bürgermeister lieber nicht in der Zeitung lesen, aber er fordert: "Zwangsfusionen dürfen nicht sein".

Seit die steirische Landesregierung ihre "Gemeindestrukturreform" ins Leben gerufen hat, wird in den 542 Gemeinden heftig diskutiert. Nun formiert sich Widerstand: 201 Gemeinden erhalten am Montag ein eMail vom Regionalforum St. Lamprecht. Inhalt: Widerstand gegen die Fusionspläne.

Das Ziel des geschäftsführenden Obmanns Max Taucher: "Wir wollen eine Änderung der steirischen Gemeindeordnung. Vor jeder Gemeindefusion soll eine Volksabstimmung verbindlich vorgeschrieben sein." 80 Gemeinden braucht Taucher dafür, dass der Antrag im Landtag behandelt wird. Taucher rechnet mit 150. "Mitte November sollte die Gemeinde-Initiative im Landtag liegen."

Gespalten

Unermüdlich tourten Landeshauptmann Franz Voves und sein Vize Hermann Schützenhöfer bisher durch das Land, um die Bürgermeister zu überzeugen. Einzelne Leuchtturmprojekte wie die Fusion von Bruck und Kapfenberg hätten die Vorbehalte deutlich gemindert, meinte Regierungssprecher Michael Feiertag vor wenigen Wochen: "Wir haben eine deutlich dreistellige Zahl an interessierten Gemeinden."

Doch das Land ist gespalten: Vor allem die kleineren ÖVP-Gemeinden proben Widerstand. Sie fürchten eine "Aushöhlung des ländlichen Raumes". In den roten Städten, die die Umlandgemeinden schlucken, ist man dem Projekt gegenüber positiver eingestellt: Johann Straßegger, Vizebürgermeister von Bruck an der Mur, das mit Kapfenberg fusioniert werden soll, meint etwa: "Wir sind überzeugt, dass es uns als große Stadt gelingen könnte, einen Gegenpol zu Graz zu schaffen und die Abwanderung zu bremsen."

Schließen sich auch die Umlandgemeinden an, könnte man sogar die 50.000-Einwohner-Grenze knacken. Das würde einen Geldsegen bringen: "Nach dem jetzigen Aufteilungsschlüssel beim Finanzausgleich rechnen wir mit jährlichen Mehreinnahmen von 10 bis 13 Millionen Euro." Eine verbindliche Bürgerbefragung soll im Vorfeld noch durchgeführt werden.

Einsparungen

Fakt ist: Neben Emotionen geht es auch bei den Gemeinde-Hochzeiten ums Geld. Thomas Prorok, stellvertretender Chef vom Zentrum für Verwaltungsforschung KDZ, sieht Ein-sparmöglichkeiten in Millionenhöhe: Pro Gemeinde betrage das Potenzial zwar nur vier bis fünf Prozent. Auf Österreich hochgerechnet wären es aber 300 bis 400 Millionen Euro.

Prorok fordert daher eine ähnliche Reform auch für andere Bundesländer: "Kleingemeinden in Niederösterreich und Oberösterreich sollte man sich nochmal ansehen." Die kleinen Strukturen seien "nicht mehr zeitgemäß", da die Aufgaben immer komplexer würden: "Wir brauchen eine Professionalisierung in den Gemeinden." Er fordert entsprechende Anreize im nächsten Finanzausgleich: "Wer mehr kooperiert, sollte mehr Unterstützung bekommen."

"Zusammenarbeit ja, Zwangsfusionen nein", kontert Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer. "Man kann nicht sagen, wir legen jetzt alle Gemeinden unter 10.000 Einwohner zusammen." Viel sei bereits passiert: "Potenzial sehe ich nur dort, wo es der Bürger nicht spürt, etwa bei gemeinsamen Bauhöfen." Die Identifizierung mit der Gemeinde sei wichtig bei der Freiwilligenarbeit.

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