GB: Einbahnstraße zum EU-Austritt

GB: Einbahnstraße zum EU-Austritt
Die Stimmung im Königreich wird immer ablehnender gegenüber Europa. Konservative drängen auf ein Referendum.

Mehr europäische Integration, die werde dringend gebraucht, eine Banken- und Steuerunion sei nur logisch: George Osborne widmete fast ein ganzes Interview mit der BBC seinem dringenden Wunsch nach mehr Europa – allerdings nur für all die anderen jenseits des Ärmelkanals. Großbritannien, das machte der britische Finanzminister unverrückbar fest, sei da nicht dabei. Im Gegenteil, "Schutzvorrichtungen" werde sein Land gegen diese Union brauchen.

Die Angst vor Austritt

Der überzeugte Euro-Skeptiker Osborne stellt sich damit an die Spitze einer Bewegung, die Großbritannien in diesen Tagen immer weiter von Europa wegrückt. In der konservativen Regierungspartei sind die EU-Gegner stärker und vor allem lauter denn je. Mehr als 100 Parlamentsabgeordnete haben einen offenen Brief an Premier David Cameron unterzeichnet, in dem eine Volksabstimmung über Großbritanniens "Beziehung zu Europa" gefordert wird. Auf Papier noch etwas wolkig formuliert, wird das Ziel der EU-Gegner in deren Reden schon deutlicher. "Ich habe keine Angst vor einem Leben außerhalb der EU", donnerte erst vor wenigen Tagen der Parteigrande und Ex-Verteidigungsminister Liam Fox: "Wir brauchen eine Debatte ohne Tabus."

Doch genau die versucht Premierminister Cameron verzweifelt zu vermeiden. Ja, eine Volksabstimmung könne man sicherlich in Erwägung ziehen, meinte er im Interview mit der stockkonservativen Europa-feindlichen Tageszeitung Telegraph, aber erst, "wenn der Zeitpunkt richtig ist". Der politische Druck aber ist längst zu groß geworden, um eine Abstimmung auf die lange Bank zu schieben. Immerhin hat die konservativ-l­iberale Regierungskoalition schon zu Amtsantritt 2010 die Weichen gestellt. Im Regierungsprogramm verpflichtete man sich, jede EU-Reform, die Kompetenzen von den Nationalstaaten nach Brüssel verlagert, einer Volksabstimmung zu unterziehen. "Die wichtigste Entscheidung, die wir zustande gebracht haben", macht der Finanzminister kein Hehl aus seiner Freude über diese Einbahnstraße, die irgendwann aus der EU hinausführen muss. Denn während die EU-Schwergewichte Deutschland und Frankreich um mehr Europa ringen, kann sich London davon nur distanzieren. Schon beim geplanten Fiskalpakt ist man – gemeinsam mit den ebenso EU-skeptischen Tschechen – nicht dabei.

EU-Freunde schweigen

Der liberale Koalitionspartner, traditionell pro-europäisch, ist in der Debatte gänzlich verstummt. Auch die Labour-Opposition, eigentlich ebenfalls EU-freundlich, traut sich gerade einmal die mangelnde Klarheit des Premiers zu kritisieren. Zu deutlich machen auch Umfragen, in welche Richtung der Wind in der Bevölkerung weht. Angefeuert von der traditionell antieuropäischen Boulevardpresse, die mit Brüsseler Chaos, Misswirtschaft und im Süden Europas versenkten Euro-Milliarden Schlagzeilen macht, haben die meisten Briten das letzte bisschen Vertrauen in die EU verloren. Gerade einmal 17 Prozent vertrauen noch den Entscheidungen in Brüssel, mehr als 80 Prozent wollen eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft. "Die Chancen für einen EU-Austritt Großbritanniens sind größer denn je", urteilt der Economist – und nennt auch gleich den Grund dafür: "Die Briten haben sich einfach nie in Europa verliebt."

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