Frankreichs neuer Kult mit Deutschland

Frankreichs neuer Kult mit Deutschland
Vorbild: Nicolas Sarkozy genießt bei seinen Landsleuten weniger Vertrauen als Angela Merkel.

Die Geste schien wie aus grauer Vorzeit, als man noch Blutsbruderschaft schwor. Nicolas Sarkozy hielt seine beiden Hände, zu Fäusten geballt und in Querstellung, direkt aneinander und schob sie Richtung TV-Kamera: "Und darum", sagte der französische Staatschef, "müssen wir mit Deutschland Hand in Hand arbeiten. Wir müssen uns dem System nähern, das funktioniert, also Deutschland." Damit reagierte Sarkozy auf die Bemerkung eines Journalisten, Deutschland müsse für seine Anleihen auf den Finanzmärkten weniger als Frankreich zahlen.

Bei seinem TV-Auftritt nach dem EU-Krisengipfel vom Mittwoch beschwor Sarkozy laufend seine Symbiose mit "Madame Merkel": Künftig würden Steuern und Budget systematisch angeglichen werden. "Unsere Einstellung lautet: Konvergenz mit unseren deutschen Freunden." Tatsächlich arbeiten bereits Spitzenbeamte der beiden Länder an einer einheitlichen Unternehmenssteuer ab Jänner 2013.

Sarkozy gehorcht dem aktuellen Kräfteverhältnis: Mit einer Verschuldung von 84,7 Prozent des Nationalprodukts hält Frankreich einen Negativrekord unter den Ländern, die noch über die Bestnote der Rating-Agenturen verfügen. Frankreichs Handelsbilanz rutschte auf minus 50 Milliarden Euro ab, Deutschland erzielte mehr als 150 Milliarden Euro an Export-Überschüssen.

Und das Resultat: Bei der Krisenbewältigung vertrauen laut Umfragen mehr Franzosen Merkel (46 Prozent) als Sarkozy (33 Prozent). Eine Art Deutschland-Kult greift um sich.

Deutsche Werbung

Der bloße Klang der deutschen Sprache gilt schon als Gütesiegel. Opel wirbt im französischen TV auf Deutsch: "Eine deutsche Technologie, eine deutsche Idee", heißt es da. Nur zum Schluss hört man auf Französisch: "Man muss nicht Deutsch verstehen, um zu begreifen, dass Opel ein echtes deutsches Auto ist." Auch VW preist sich auf Deutsch. Die Reaktion von Renault ist ebenfalls deutsch gefärbt: Der französische Konzern schaltet in Frankreichs Zeitungen ganzseitige Anzeigen mit der schwarz-rot-goldenen Fahne Deutschlands als Hintergrund und zitiert Lob seitens "ADAC-Pannenstatistik", "ADAC Werkstatt-Test" und Auto Bild Magazin.

Französische Zeitungen bewundern das deutsche Netz mittlerer Unternehmen, die in Frankreich so bitter fehlen. Bürgerliche neiden die niedrigeren Sozialabgaben und Arbeitsmarktreformen. Moderate Linke schwärmen für die deutsche Konsenssuche zwischen Firmenchefs und vergleichsweise starken Gewerkschaften, wobei auffällt, dass in Deutschland im Schnitt kürzer gearbeitet wird (1390 Stunden pro Jahr, in Frankreich 1554 Stunden).

Die in den deutschen Parlamentarismus eingebettete Bescheidenheit Merkels wird der "bonapartistischen Selbstherrlichkeit" Sarkozys gegenübergestellt. Trost spendet nur die höhere Geburtenrate, die Frankreich der Förderung berufstätiger Mütter verdankt.

Auch auf dem einst heikelsten Gebiet sind Deutsche willkommen: Soeben wurde eine deutsche Historikerin zur Leiterin des Museums der Résistance in der Stadt Besançon bestellt.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

  • Bilder

  • Hintergrund

  • Bilder

Kommentare