Feuerprobe für die Koexistenz
Jüdische und muslimische Gemeindespitzen traten aus dem Präsidentenpalais, umarmten einander und riefen zu einem gemeinsamen Marsch auf. Das war Dienstag, als man noch einen rechtsradikalen Mörder vermutete. Dass sich der Serienkiller als Anhänger von El Kaida entpuppte und auf die „Kinder Palästinas“ berief, stellt Frankreich vor eine schwerere Belastung. Nicht, dass die Abscheu geringer wäre – Vertreter der Muslime trafen sich auch Mittwoch mit jüdischen Sprechern und verurteilten El Kaida mit allem Nachdruck.
Aber Frankreich laboriert an einer zeitweise gespannten Koexistenz zwischen einer halben Million Juden und sechs Millionen Muslimen. Die Mehrheit beider Gruppen stammt familiengeschichtlich aus Frankreichs Ex-Kolonien in Nordafrika.
Symbiose
Der gemeinsame Ursprung sorgte für Symbiosen. Muslime gingen früher, als es noch kaum islamische Schächtung gab, koscher essen. Inzwischen sind neue muslimische Generationen zwar als französische Staatsbürger aufgewachsen, die aber, im Kontext der chronischen Sozialkrise Frankreichs, oft zu kurz kommen. Eine winzige, aber auffällige Minderheit bewegt sich zwischen Kriminalität und radikalen Islam-Parolen, Israels Besatzungspolitik in Palästina ist Tagesgespräch.
Juden, die den Gewaltausbrüchen dieser Jugendlichen ausgesetzt sind, suchen Schutz in eigenen Schulen. Die Identifikation mit Israel, das auch zur Zufluchtsstätte für die meisten Juden Nordafrikas wurde, wächst.
Frankreichs streng säkulare Republik verfügt aber über eine bewährte Integrationstradition. In fast allen Parteien arbeiten Juden und Muslime zusammen, Synagogen und Moscheen verstärken Kontakte. Die Bereitschaft, dem Sog ins Unglück zu widerstehen, ist spürbar, sie muss aber ermutigt und organisiert werden.
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