Failed States: Warum Staaten scheitern

Failed States: Warum Staaten scheitern
Somalia bleibt der negative Spitzenreiter, doch auf der Liste der dysfunktionalen Staaten gibt es auch positive Entwicklungen.

Wenn Piraterie und Plünderungen zur Haupteinnahmequelle eines Landes zählen, ist ein Staat kein Staat mehr. Millionen Somalis erleben dies als fatale Realität. Seit Jahren führt das ostafrikanische Land die vom US-Magazin Foreign Policy und dem Fund for Peace erstellte Liste der sogenannten Gescheiterten Staaten an. Ob Somalia, Kolumbien oder irgendein anderer Staat auf den ersten 60 Rängen des Failed-States-Index – sie alle haben zumindest einige Faktoren gemein, die den Bewohnern eines Staates das Leben extrem schwer machen. Der KURIER listet die wichtigsten Gründe auf, warum Staaten scheitern.

Failed States: Warum Staaten scheitern

Privatbesitz verboten (Nordkorea)

Das letzte streng kommunistische Land der Welt hält seine Bürger mit Armee und Polizei zwar im Würgegriff, kann aber seine Bevölkerung nicht mehr ernähren. Privatbesitz ist verboten – jedes Feld, jede Schaufel, jedes Reiskorn gehört dem Staat. Eigeninitiative wird mit Arbeitslager bestraft – was dazu führt, dass die Ernten immer unter Plan liegen und ein Drittel der Bevölkerung chronisch unterernährt ist. Mit fatalen Langzeitfolgen: Ein durchschnittlicher Nordkoreaner ist heute bis zu 20 Zentimeter kleiner als ein Südkoreaner.

Die Gier der Eliten (Ägypten)

Bis zu seinem Sturz im Vorjahr kontrollierten der Mubarak-Clan, dessen Freunde und das Militär die Wirtschaft des Landes. Wurde privatisiert, erhielten wieder nur die Oligarchen Zugriff. Auch nach dem Arabischen Frühling lebt dieses System weiter. Ägyptens wenige, aber ultrareiche Geschäftsfamilien lukrieren sagenhafte Gewinne, während der großen Masse der Ägypter der Ausweg aus der Armut durch neue Geschäftsmöglichkeiten verwehrt ist.

Failed States: Warum Staaten scheitern

Kein Recht und keine Ordnung (Somalia)

Die Macht der somalischen Regierung erstreckt sich nicht einmal über alle Teile der Hauptstadt. Im Rest des Landes herrschen Warlords, Islamisten, verschiedene Stammesführer – jeweils nach ihren eigenen "Gesetzen". Für die Somalis heißt dies: keine Verwaltung, keine Steuern, keine Schulen, keine Polizei, keine Sicherheit, keine Wirtschaft, keine Lebensgrundlagen.

Schwache Regierung (Kolumbien)

Links-Rebellen von der FARC und auch immer mehr rechte Paramilitärs, alle über Drogengeld finanziert, kontrollieren bis zu ein Drittel des riesigen Landes. In diesem Gebiet liegt alles brach, wofür ein Staat sonst zu sorgen hätte: Gesundheitsversorgung, Infrastruktur, Verwaltung, Straßen. Zigtausende Bauern verloren ihr Land, weil Bewaffnete sich deren Grund und Boden aneigneten – in den vergangenen 15 Jahren geschätzte 5 Millionen Hektar Land. Die schwache Zentralregierung in Bogota hatte keine Möglichkeit, dies zu verhindern.

Failed States: Warum Staaten scheitern

Schlechte Infrastruktur (Bolivien)

Die Wege in Boliviens entlegene, bitterarme Bergdörfer im Osten des Landes mögen Jahrhunderte alt sein, oft aber sind sie nur zu Fuß oder mit Mulis zu bestreiten. Für die Bauern gibt es so kein Entkommen aus der Armut, angebaut wird fürs eigene Überleben, für den Transport und den Verkauf in die nächstgelegen größeren Städten mangelt es an Straßen und Fahrzeugen.

Zwangsarbeit (Usbekistan)

Jedes Jahr werden im zentralasiatischen Usbekistan für zwei Monate die Schulen geschlossen und knapp zwei Millionen Kinder zur Baumwollernte auf die Felder geschickt. Die staatlich organisierte Zwangsarbeit, über die offiziell nicht gesprochen werden darf, garantiert dem Regime von Präsident Karimow satte Profite.

Krieg, Bürgerkrieg, Kämpfe (Afghanistan, Irak, Syrien, Mali, Jemen, Sudan, Kongo, Tschad, Pakistan und viele mehr).

Das positive Beispiel: Burma

Failed States: Warum Staaten scheitern

Auch wenn Burma (Myanmar) in der Liste der gescheiterten Staaten noch unter den Top 30 rangiert (siehe Grafik) , hat das Land im vergangenen Jahr einen beeindruckenden Reformkurs eingeschlagen. Die frühere britische Kolonie wird nach knapp fünf Jahrzehnten Militärherrschaft nun von einer nominell zivilen Regierung geführt.

Das Militär gab seine Macht nicht vollständig ab, doch Präsident Thein Sein überraschte mit Neuerungen. "Zu den Reformen war er nicht gezwungen. Aber er sieht sich selbst als gewählter Vertreter und muss nun auch liefern", sagt Marco Bünte vom GIGA Institut für Asien-Studien in Hamburg.

Thein Sein ließ Dissidenten frei, Demonstrationen wurden zugelassen, die Medienzensur ist stark abgemildert. Das herausragendste Zeichen für den neuen Kurs ist aber die Zulassung von Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi zu den Parlamentsnachwahlen. Die Friedensnobelpreisträgerin, die die Hälfte der vergangenen 21 Jahre in Haft war oder unter Hausarrest stand, errang ein Mandat in dem vom Militär beherrschten Parlament. "Es gibt nun Berichte über die Auslandsreisen von Suu Kyi, das wäre früher nicht möglich gewesen", so Bünte. Gerade im Medienbereich sind die Reformen am schnellsten spürbar."

Besonders die wirtschaftlichen Maßnahmen verstärken den Wandel: Ausländische Investoren werden ins Land geholt, der Wechselkurs wurde vereinheitlicht. Das rohstoffreiche Land liegt strategisch günstig. Es litt aber stark unter den nun gelockerten westlichen Sanktionen – was Chinas und Japans Rolle stärkte.

Der Westen hat sich durch die Sanktionen praktisch selbst ausgesperrt, sagt Bünte. "Jetzt steht man Schlange, aber das Land war so lange abgeschottet. Es gibt große bürokratische Hindernisse für Investoren." Doch das alles sei eine Frage der Zeit. Insgesamt, so Bünte, seien die Zukunftsprognosen für Burma sehr optimistisch: Der Reformkurs sei nachhaltig – zumindest bis zu den Präsidentenwahlen 2015: "Ob die Balance, die derzeit Stabilität gewährleistet, dann noch hält, muss man abwarten."

Weiterführende Links

Kommentare