„Ein bisschen Ganztagsschule bringt nichts“

„Ein bisschen Ganztagsschule bringt nichts“
Nachgefragt: Bildungsforscher Hopmann zum Thema Ganztagsschule

Schul- und Bildungsforscher Stefan T. Hopmann (Universität Wien) lehnt eine halbherzige Ganztagsschule ab, weil die "das Elend nur verlängert".

KURIER: Herr Professor Hopmann, was macht man mit einem Kind, das in der Unterstufe noch nicht sinner­fassend lesen kann?
Hopmann:
Ein flexibles Schulsystem hält das geduldig aus. Es gibt dort genug anderes zu lernen, bis irgendwann auch der Lese-Knoten platzt. Mein Sohn war so ein Fall, er ging in eine dänische Ganztagsschule. Heute ist er Kommunikationsforscher und schreibt mehr Bücher als ich. In Österreich hätte man ihn in eine Sprachheilschule gesteckt, von der er nie wieder rausgekommen wäre.

Sind Sie für die flächen­deckende Einführung der Ganztagsschule?
Die Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass ein bisschen Ganztagsschule, Hausaufgaben machen und so, nichts bringt. Die Ganztagsschule ist wie die Gesamtschule per se nicht gerechter oder leistungsfördernder als das gegliederte System. Beim Zustand der öffentlichen Haushalte ist es unwahrscheinlich, dass eine flächendeckende Ganztagsschule eingeführt wird, die die besten Lehrer holt, um Kinder aus einkommensschwachen Schichten zu fördern. Ich sage, seid vernünftig und konzentriert die Mittel auf Schul-Standorte, an denen sich die Probleme häufen. Die Eltern in Döbling können sich zur Not eine andere Förderung leisten, das muss ich nicht öffentlich subventionieren.

Die Chancen dafür?
Stehen schlecht. Wir schaffen es ja nicht einmal in der Halbtagsschule, eine moderne Organisation hinzubekommen. Österreich ist nicht zufällig mal wieder darauf aufmerksam gemacht worden, dass wir zu den miserabelsten Industrieländern gehören, was die Förderung von Bildungsaufsteigern angeht.

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