Direkte Demokratie und ihre Tücken

Direkte Demokratie und ihre Tücken
SPÖ und ÖVP wollen die Bürger in politische Entscheidungen stärker einbinden. Im Jänner befragen sie das Volk zur Wehrpflicht. Mehr direkte Demokratie bedeutet aber nicht immer, dass die Politik tut, was die Menschen wollen – das zeigt das Beispiel Irland.

Laut Umfragen wünschen sich zwei Drittel der Österreicher mehr direkte Demokratie. SPÖ und ÖVP wollen dem Rechnung tragen und das Volk künftig stärker als bisher in politische Entscheidungen einbinden. Auf ein Referendum haben sich die beiden Regierungsparteien bereits geeinigt: Im kommenden Jänner werden die Österreicher gefragt, ob die Wehrpflicht bleiben oder abgeschafft werden soll.

In anderen EU-Ländern hat die direkte Demokratie eine lange Tradition – etwa in Irland. Dort hat das Volk in den vergangenen 40 Jahren insgesamt 28-mal über mehr oder weniger wichtige Entscheidungen abgestimmt. Gerade das Beispiel Irland zeigt, dass die direkte Demokratie in der Praxis ihre Tücken hat – etwa jene, dass die Politik die Entscheidungen des Volkes nicht immer akzeptiert. Ist das Ergebnis einer Abstimmung "falsch" (heißt: nicht im Sinne der Regierenden), werden die Menschen einfach wieder gefragt – bis es ein "richtiges" Ergebnis gibt.

Nein heißt nicht Nein

In Irland muss es bei jeder Verfassungsänderung eine Volksabstimmung geben. Dabei kann es sich um einfache Themen handeln, wie die Höhe des Gehalts von Richtern. Aber auch um hochkomplexe und weitreichende Themen wie EU-Verträge, die alle Mitgliedsstaaten der Union betreffen. Zwei Mal hat die Bevölkerung der grünen Insel in den vergangenen elf Jahren zuerst gegen neue EU-Verträge gestimmt und dann in einem zweiten Anlauf dafür.

2001 ließen die Iren europaweit aufhorchen, als sie mit 54 Prozent gegen den Vertrag von Nizza stimmten. Das stürzte die EU in eine schwere politische Krise, weil die neuen Regeln EU-weit nicht in Kraft treten konnten. 16 Monate später ließ die damalige Regierung in Dublin noch einmal abstimmen. Diesmal bekam sie das "richtige" Ergebnis: ein "Ja" zum Nizza-Vertrag.

Zweites Referendum

2008 kam der Lissabon-Vertrag, und wieder stimmten die Iren gegen die Neuerungen. Brüssel sicherte daraufhin zu, dass das Abtreibungsverbot in dem katholischen Land bleiben darf und dass die EU-Kommission nicht verkleinert wird. In einem zweiten Referendum stimmte die Bevölkerung 2009 dann "richtig" ab: für den Lissabon-Vertrag.

Erst vor vier Monaten gab es in Irland eine weitere wichtige EU-Abstimmung, diesmal über den "Fiskalpakt", der dem Schuldenmachen in den EU-Ländern Grenzen setzt. Diesmal stimmten die Iren gleich "richtig" ab (heißt: im Sinne ihrer Regierung mit "Ja").

Viele Abstimmungsberechtigte erklärten dem KURIER damals: Sie hätten nicht aus Überzeugung mit "Ja" gestimmt, sondern weil sie sich und ihren Landsleuten ein weiteres Referendum ersparen wollten.

Das Beispiel Irland zeigt aber auch eine positive Seite der direkten Demokratie: Politiker sind gezwungen, den Bürgern möglichst gut zu erklären, warum sie etwas Grundlegendes ändern wollen. Eine Regierung, der es nicht gelingt, die Menschen von einer geplanten Reform zu überzeugen, bringt diese nicht durch.

Wobei: Sie kann ja einfach noch einmal abstimmen lassen ...

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