Die Unbestechlichen vom Donaukanal

Die Unbestechlichen vom Donaukanal
Strasser, BUWOG & Co: Im Kampf gegen Korruption ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die Speerspitze der Justiz.

Bei Walter Geyer kann man nicht "einfach vorbeischauen". Sein Büro liegt im 4. Stock eines unscheinbaren Bürogebäudes am Wiener Donaukanal. Wen Geyer nicht ein- oder vorgeladen hat, dem öffnet die Dame an der Gegensprechanlage nicht einmal die Schiebetür im Erdgeschoß; geschweige denn, dass sie den elektronisch gesicherten Lift nach unten schicken würde.

Wer Geyer treffen will, muss zumindest zwei Sperren passieren, und das ist kein Zufall. "Das sind Sicherheitsmaßnahmen. Sie wissen, warum."

Der 65-jährige Geyer ist Chef der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, kurz WKSta. Und die seit 2009 existierende Behörde ermittelt nicht nur in den größten Wirtschaftscausen (BUWOG, Kommunalkredit, Hypo NÖ etc.), sondern auch in den politisch delikaten: Die 18 Staatsanwälte führten die Anklage gegen den früheren Kärntner Landeshauptmannstellvertreter Uwe Scheuch; sie ermitteln unter anderem gegen Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler und Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Und im November bringen sie mit Ernst Strasser einen vormaligen ÖVP-Innenminister vor Gericht.

Große Fische

Im Kampf gegen die Korruption ist die WKSta die Speerspitze der Justiz. Sie kümmert sich vornehmlich um die großen Fische, sprich Fälle. Und sie ist seit 1. September auch für Steuerhinterziehung ab fünf Millionen Euro zuständig.

Um Waffengleichheit mit den Tätern herzustellen, wurden Geyers Behörde im Vergleich zu anderen Staatsanwaltschaften "Privilegien" eingeräumt: Man ist teilweise von der Berichtspflicht an Vorgesetzte befreit; um in Tausenden Seiten Akten den Überblick zu behalten, verfügen die Korruptionsjäger über spezielle Software; und heikle Verhöre können in einem eigenen Video-Einvernahme-Raum diskret und vor Ort erledigt werden.

Der wesentlichste Unterschied ist freilich der "Experten-Pool": Während andere Strafverfolger externe Gutachter bemühen müssen, wenn sie wissen wollen, ob und was an einer Bilanz auffällig ist, sitzen in der WKSta Steuerprüfer und ehemalige Controller Tür an Tür mit den Ermittlern. "Wir können in der Sekunde nachfragen und komplexe Fragen diskutieren", sagt Staatsanwältin Eva Habicher. Das spart Zeit. Zudem verhalten sich Beschuldigte bei Verhören anders, wenn sie wissen: Gegenüber sitzt jemand vom Fach.

Trotz der Hilfsmittel bleibt die Arbeit fordernd. Derzeit behandelt die WKStA mehr als 200 Verfahren, eines der beeindruckendsten ist die BUWOG-Affäre. Staatsanwalt Gerald Denk wertet die Ergebnisse von 60 Hausdurchsuchungen und 40 Konto-Öffnungen aus. Es gab 370 Vernehmungen, die Unterlagen umfassen 6,5 Terabyte an Daten. Da ist es gut, dass Denk nicht alles auf A4-Blätter druckt und in Akten-Ordner schlichtet. Denn das Regal, auf dem diese Ordner stehen können, müsste mittlerweile 160 Kilometer lang sein.

"Ausschuss hat eine wichtige Funktion erfüllt"

Die Unbestechlichen vom Donaukanal
"Maturiert habe ich, wenn ich mich richtig erinnere, in der Albertgasse." Gar nicht so einfach das entsinnen, wenn man das Wiener Schulwesen ausführlich studiert hat - Walter Geyer, scheidender Leiter der Korruptionsstaatsanwaltschaft.

KURIER: Herr Geyer, Ihre Behörde ermittelt in heiklen Causen wie dem BUWOG-Verfahren. Vielfach dauern die Ermittlungen Jahre. Was würden Sie Bürgern antworten, die sagen: Da geht nichts weiter?

Walter Geyer: Ich würde ihnen antworten, dem ist nachweislich nicht so. Nehmen Sie die Causa Ernst Strasser: Wir haben 15 Monate in fünf Staaten ermittelt, an zehn Standorten Hausdurchsuchungen durchgeführt, ein Terabyte Daten gesichtet, 90 Einvernahmen gemacht. Das Resultat: Es gibt eine Anklageschrift und einen Prozess. Österreich ist übrigens Vorreiter: In keinem anderen Land, in dem die von britischen Journalisten aufgedeckten Korruptions-Causen im EU-Parlament untersucht wurden, gibt es eine Anklage – bei uns schon.

Trotzdem: Warum dauern Ermittlungen bei Korruptionsfällen Jahre, während man den viel zitierten "Hendldieb" vergleichsweise schnell vor Gericht stellt?

Weil Korruptionsdelikte um ein Vielfaches komplexer sind. Nehmen wir einen Einbruch: Da gibt es aufgebrochene Türen, es fehlen Gegenstände, kurzum: Hier werden oft Spuren hinterlassen. Bei Korruptionsdelikten ist das Gegenteil der Fall. Hier gilt die Omerta (Anm.: Schweigepflicht bei der Mafia) – die Beteiligten tun alles, damit das Delikt erst gar nicht entdeckt wird. Hinzu kommt: Bei Wirtschafts- und Korruptionsdelikten gehen die Täter mit großem Sachverstand ans Werk. Bei der Tat selbst, etwa, wenn sie Malversationen in der Buchhaltung verstecken; Und die Täter haben gute Anwälte und Berater, sie nutzen alle ihnen zustehenden Möglichkeiten, um unsere Arbeit zu erschweren.

Vertreter der Regierungsparteien haben mehrfach kritisiert, dass der Untersuchungsausschuss Fälle untersucht, in denen gleichzeitig Ermittlungen der Justiz laufen. Ihr Urteil?

Ich selbst war anfangs neutral bis leicht skeptisch. Heute glaube ich: Die Bewährungsprobe ist geglückt, die Parallelität von Ausschuss und Ermittlungen hat funktioniert. Und manches, was bei den Einvernahmen im Parlament gesagt wurde, war auch für uns Ermittler interessant.

Welche Zeugen konkret?

Dazu kann ich im Detail nichts sagen. Aber generell ist es positiv, dass im U-Ausschuss Vorgänge öffentlich wurden, die man moralisch zwar als problematisch betrachten kann, die wir Staatsanwälte aber nicht zu bewerten haben – weil sie nicht strafbar sind. Insofern hat der U-Ausschuss eine wichtige Funktion erfüllt.

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