Die Leiden der jungen Ärzte

Die Leiden der jungen Ärzte
Zwischen Bürokram und Blutabnehmen: Turnusärzte gehen häufig in Arbeit unter, für die sie überqualifiziert sind.

Manchmal fragt sich Thomas T. ( Name geändert ), wozu er eigentlich sechs Jahre lang Medizin studiert hat. Derzeit absolviert der 31-Jährige seinen Turnus auf einer internistischen Abteilung in einem Wiener Spital. Doch der eigentliche Zweck – die praktische Ausbildung – kommt dabei viel zu kurz: „Drei Stunden am Tag, also ein Drittel meiner Kernarbeitszeit, bin ich mit Büroarbeit eingedeckt: Ich muss Untersuchungstermine für Patienten organisieren oder Formulare für die Verrechnung ausfüllen.“ Allesamt Tätigkeiten, die seiner Ansicht nach auch eine Schreibkraft erledigen könnte.

Zusätzlich muss T. tagtäglich Routinearbeiten erledigen, die genauso gut beim Pflegepersoal aufgehoben wären: Blut abnehmen, Infusionen anhängen oder Kanülen legen. „Damit geht pro Tag wieder eine Stunde verloren.“

Zwar bestehe gesetzlich die Möglichkeit, diese Arbeiten an die Schwestern zu delegieren, „doch das wird nur in wenigen Spitälern auch tatsächlich umgesetzt“. Aus Angst vor Mehrarbeit würden sich vor allem etablierte Schwestern dagegen sträuben. Schließlich seien sie ihrerseits mit Arbeiten wie etwa Bettenmachen eingedeckt, für die eigentlich Stationshilfen zuständig sind. „Doch davon gibt es zu wenig“, sagt T.

Arbeit in der Freizeit

Die Leiden der jungen Ärzte

Für die angehenden Ärzte bedeutet dieses Dilemma, dass Weiterbildung, Forschung oder das Halten von Vorlesungen in die Freizeit verschoben werden müssen. Dabei kommen Turnusärzte wie Thomas T. ohnehin schon auf Arbeitszeiten von 70 bis 80 Stunden pro Woche. Inkludiert sind dabei bis zu sechs Nachtdienste im Monat, die über 24 bis 30 Stunden gehen. „Während der Arbeit ist man mit Adrenalin vollgepumpt, die Tage danach kriecht man dann am Zahnfleisch daher.“

Um diesem belastenden Arbeitsalltag zu entkommen, ging T. für zwei Jahre ins Ausland, wo er einen Job in der Forschung annahm. „Allerdings bedeutet das, dass ich mit meiner Ausbildung zwei Jahre später fertig werde.“

„Der Frust bei den Turnusärzten ist extrem hoch“, bestätigt auch Alexander Kavina, der in der Ärztekammer diese Gruppe vertritt. Viele Jungmediziner würden den Turnus im Ausland absolvieren, weil dort die Arbeitsbedingungen deutlich besser seien. Besonders gefragt sei dabei Deutschland. „Ich habe das auch für mich selbst überlegt, aus familiären Gründen bin ich dann aber doch in Österreich geblieben“, sagt Kavina. Ein Problem, vor dem viele seiner Kollegen stehen.

Lösungsvorschläge

„Die Arbeitsverteilung sollte endlich von der Ebene der Direktion aus geregelt werden“, fordert sein Ärztekammer-Kollege Martin Andreas. „Derzeit wird sie abteilungsintern verhandelt. Dabei bleiben die Schwächsten auf der Strecke. Und das sind eben die Turnusärzte.“

Im Wiener Krankenanstaltenverbund, dem größten in Österreich, wo derzeit mehr als 1000 Jungmediziner ausgebildet werden, hält man die Kritik für überzogen. „Wir haben zuletzt viele Initiativen gesetzt. Etwa ein Logbuch für Turnusärzte, mit dem alle Ausbildungsschritte dokumentiert werden“, sagt Susanne Drapalik. Damit Jungärzte nicht im Papierkram untergehen, soll es künftig mehr Stationssekretäre in den Spitälern geben.

Stress beim Berufseinstieg

Rund 76 Prozent der Jungärzte sind Burnout-gefährdet. Das ergab eine aktuelle Studie der Initiative European Junior Doctors. Andere Studien zeigen, dass sich der Großteil der Jungärzte für den Einstieg in die Berufswelt nicht ausreichend vorbereitet fühlt, im Umgang mit den Patienten überfordert ist und mit der Arbeit im Team nicht zurechtkommt.

Um diesem Problem vorzubeugen, empfiehlt die Arbeitsgruppe der European Junior Doctors eine Reihe von Maßnahmen: Etwa eine gemeinsame Einführung aller Turnusärzte in den Spitalsbetrieb, um die komplexen Abläufe und Einrichtungen besser verstehen zu können. Zudem sollte es spezielle Kurse geben, die die Studenten auf den Alltag in einem Krankenhaus vorbereiten.

 

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