Deutsche Gastarbeiter stürmen Österreich
Ob für den Studenten aus Deutschland oder den Arbeiter aus Osteuropa: Österreich wird für Zuwanderer immer attraktiver. Das zeigen die aktuellen Zahlen von Statistik Austria.
Zieht man von den Zuzügen die Abwanderungen ab, kommt man für das Jahr 2011 auf ein positives Saldo von 35.604. Im Jahr davor waren es nur 27.695. Das ist ein Plus von fast 30 Prozent. Und auch im heurigen Jahr setzt sich dieser Trend fort, wie die Statistik zeigt.
Die zahlenmäßig stärkste Zuwanderer-Gruppe bleiben die Deutschen (plus 6463 Personen im Vorjahr). Sie verteilen sich vor allem auf drei Gruppen: Hochqualifizierte Mitarbeiter heimischer und internationaler Unternehmen, Studenten und Saisonarbeiter, heißt es bei Statistik Austria.
Hinter den Deutschen folgen die Rumänen (plus 6163), Ungarn (4359), Polen (3361) und die Slowaken (2198). Insgesamt kamen 2011 zwei Drittel der Zuwanderer aus der EU aus den seit 2004 beigetretenen Staaten.
Zum Vergleich: Die Türken etwa weisen gerade einmal Plus von 629 Personen auf.
Marktöffnung
Die Experten sind sich einig, was hinter dieser Entwicklung steht: Im Mai des Vorjahres endete für die Bürger der 2004 der EU beigetretenen Staaten Osteuropas die Übergangsfristen für den heimischen Arbeitsmarkt. "Unmittelbar danach erlebten wir einen starken Zuzug aus diesen Ländern, vor allem aus Polen, Ungarn und der Slowakei", heißt es dazu bei Statistik Austria.
Langfristig werde dieser Trend aber nicht anhalten, betonen die Statistiker. "Auch unmittelbar nach dem EU-Beitritt dieser Länder 2004 gab es eine starke Zuwanderung, die danach bald wieder abflachte."
Attraktivstes Ziel der Zuwanderer bleibt Ostösterreich – und dabei vor allem Wien. Dies hat naturgemäß mit der geografischen Nähe zu den osteuropäischen EU-Staaten zu tun: Etwas mehr als ein Drittel des Wanderungssaldos des Jahres 2011 (plus 12.954 Personen) entfällt auf die Bundeshauptstadt. Hier konzentrieren sich derzeit 40 Prozent (386.376 Personen) der ausländischen Bevölkerung Österreichs.
Dementsprechend ist der Ausländeranteil in Wien mit 22,3 Prozent beinahe doppelt so hoch wie im österreichischen Durchschnitt (11,5 Prozent).
Gelassenheit
Im Büro der für Integration zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) zeigt man sich vom starken Zuzug aus den östlichen EU-Nachbarn wenig überrascht. "Vielmehr ist es so, dass die von manchen vorausgesagte Überschwemmung mit Zuwanderern nach der Öffnung des Arbeitsmarktes nicht stattgefunden hat."
Dringender Handlungsbedarf bestehe daher keiner. Schon seit Anfang 2011 biete man das Programm "Start Wien" auch für Zuwanderer aus dem EU-Raum an. Das Integrationsprogramm soll ihnen helfen, in der neuen Heimat besser Fuß zu fassen. Es geht dabei unter anderem um den Spracherwerb, die Anrechnung von Qualifikationen und die Unterstützung am Arbeitsmarkt. In den ersten Monaten dieses Jahres haben rund 350 EU-Bürger dieses Service genutzt.
"60 Prozent der Menschen, die aus der EU zu uns kommen, sind gut qualifiziert", heißt es aus dem Büro Frauenberger. Eine weitere Besonderheit dieser Gruppe: "Viele, die nach Österreich kommen, bleiben nicht so lange hier wie die typischen Gastarbeiter aus den 60er- und 70er-Jahren."
"Stabilität macht Österreich attraktiv"
Josef Wallner leitet in der Wiener Arbeiterkammer die Abteilung Arbeitsmarkt.
KURIER: Wo sehen Sie die Ursachen für den Anstieg bei der Zuwanderung?
Josef Wallner: Zweifelsohne spielt die Öffnung des Arbeitsmarktes für die neuen EU-Staaten eine große Rolle. Mit ihr kamen 27.000 zusätzliche Zuwanderer in den heimischen Arbeitsmarkt. Sie konzentrieren sich vor allem auf Wien und das restliche Ostösterreich, was vor allem mit der geografischen Nähe zu Ländern wie Ungarn zu tun hat. Allerdings sind fast die Hälfte dieser zusätzlichen Arbeitskräfte Pendler.
Wie gut sind diese neuen Arbeitskräfte qualifiziert?
Durch den Wegfall der Beschränkungen hat der Anteil der niedriger Qualifizierten zugenommen. Jetzt kommen auch beispielsweise einfache Bauarbeiter nach Österreich, die hier einen Job finden wollen.
Es fällt auf, dass Rumänien in der Zuwanderer-Statistik sehr weit vorne liegt. Wie kommt es dazu?
Das hat mit der dortigen vergleichsweise schwachen wirtschaftlichen Entwicklung zu tun. Hinzu kommen die Folgen der aktuellen Wirtschaftskrise: Viele Rumänen wanderten bisher nach Italien und Spanien aus. Wegen der wirtschaftlichen Probleme in diesen Ländern gehen sie jetzt wieder in ihre Heimat zurück und von dort aus in EU-Staaten, in denen die Situation noch besser ist.
Warum spielen Zuwanderer aus Drittstaaten eine so untergeordnete Rolle?
Unternehmer greifen mittlerweile wegen deren besserer Qualifikation lieber auf Personal aus EU-Ländern zurück.
Wie sieht Ihre Prognose für die nächsten Jahre aus?
Österreich ist wegen seiner wirtschaftlichen Stabilität sehr attraktiv. Sollte sich die Lage auch bei uns verschlechtern, wird damit auch die Zuwanderung zurückgehen.
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