"Der Tod, das muss ein Wiener sein"

Bestattungsmuseum, melancholische Heurigen-Lieder oder schaurige Spaziergänge für Touristen: Der Tod ist in Wien gerne präsent.

Wien und der Tod, das ist eine besondere Geschichte. Auch wenn der morbide Touch das ganze Jahr über der Stadt hängt – zu Allerheiligen ist dieser besonders spürbar.

Ein zutiefst wienerischer Ort ist der Zentralfriedhof, von Künstler André Heller als "Aphrodisiakum für Nekrophile" bezeichnet. Der Zentralfriedhof war einst der größte Friedhof Europas. Heute ist der Hamburger Friedhof zwar flächenmäßig größer, aber die meisten Toten findet man noch immer in Wien: Ungefähr drei Millionen Menschen liegen am Zentralfriedhof, jährlich finden ca. 20 000 Beerdigungen statt. Die Ausmaße des Friedhofes sind enorm: Die Umfassungsmauer mit 12 Toren ist 3 Kilometer lang, die Fläche beträgt 2,4 km².

"Die Wiener lieben das Leben. Also lieben sie auch den Tod, die andere Seite des Lebens", findet die Autorin Hanne Egghardt eine Erklärung für den "Totenkult" und betont: "Wien und der Tod: Das ist eine ewige Liebe. Ein besonderes Verhältnis zwischen sentimental-melancholischer Koketterie und nahezu inniger Intimität. Beim Heurigen wird vom Wein gesungen, der sein wird, wenn man nimmer sein wird. Eine 'schöne Leich', wie man ein repräsentatives Begräbnis mit großer Trauergemeinde nennt, gibt immer noch Anlass zum Schwärmen."

53 Friedhöfe

"Der Tod, das muss ein Wiener sein" heißt es in einem berühmten Lied von Georg Kreisler, welches gerne beim Heurigen gespielt wird. Egghardt: "Auch hier kippt die sprichwörtliche Wiener Gemütlichkeit gern in eine abgrundtiefe Tod-Traurigkeit. Es kann kein Zufall sein, dass Sigmund Freud gerade in Wien den Todestrieb entdeckte. Ebenfalls in Wien wurde eine Musik geschaffen, die für immer unsterblich ist: der Wiener Walzer, unter dessen glückseliger Oberfläche ein bisschen Wehmut und Schmerz mitschwingen."

In Wien gibt es insgesamt 53 Friedhöfe – viele von ihnen mit einem ganz eigenen Charakter. Der Friedhof St. Marx verzaubert mit seiner fast romantischen Atmosphäre.
"Stimmungsvoll sind auch die Nobelfriedhöfe von Hietzing, Grinzing, Döbling und Heiligenstadt mit ihren vielen Grabstätten voll zeitloser Eleganz. Etwas ganz Besonderes aber ist der Jüdische Friedhof in der Seegasse: Über 400 Jahre alt, von den Nazis verwüstet und erst 1984 wiedereröffnet, liegt die Begräbnisstätte heute sinnigerweise im Innenhof eines Pensionistenheims. Der Friedhof der Namenlosen hingegen befindet sich weit draußen an der Donau, im Alberner Hafen. Dort wurden Selbstmörder, Unfallopfer und Schicksale ohne Namen der Erde übergeben, die ihren Tod in den Wellen gefunden hatten", erklärt Egghardt.

Schauriger Tourismus

Auch der Tourismus hat "Wien als Nekropole" längst entdeckt. Die Seite wienguide.at bietet Touren für Gäste (durchaus auch für Wiener) an, die das Thema "Tod in Wien" behandeln.

So stellt etwa der schaurige Spaziergang "Erst, wanns aus wird sein..." den Zentralfriedhof als "Stadt der Toten" der "Stadt der Lebenden" gegenüber. Ebenso wird ein Gasthaus besucht, das auf "Leichenschmaus" spezialisiert ist, und in dem die "unsterblichen" Wiener Lieder zum Thema "Tod" "serviert" werden.

Ebenfalls empfehlenswert: "Vom Prunksarg zum Klappsarg!" In der Kaisergruft bei den Kapuzinern - Begräbnisstätte der Habsburger – werden den Teilnehmern wahre Meisterwerke an Sarkophagen gezeigt.

Bestattungsmuseum: Sparsarg und mehr

Natürlich gibt es in Wien seit 1967 auch ein Bestattungsmuseum. Mit 1000 Objekten bietet es einen weltweit einzigartigen Gesamtüberblick über Totenkult und Bestattungsrituale.
Neben vielen anderen Kuriositäten wird hier der berühmt-berüchtigte Sparsarg aus der Zeit Kaiser Josef II gezeigt. Dieser verfügte am Boden über eine Klappe, durch die der Tote ins Grab fiel – der Sarg konnte somit wieder verwendet werden.

Damals hilfreich und heute interessant anzusehen ist auch der Rettungswecker: Dieser hing um 1828 in der Wohnung des Totengräbers auf dem Währinger Ortsfriedhof. Er sollte vor dem Scheintod bewahren. Eine Schnur verband den Wecker mit dem Handgelenk des in der Leichenkammer aufgebahrten Toten. Sollte dieser nur scheintot sein, würde der Wecker läuten. Das tat er auch recht oft: etwa wenn die Totenstarre nachließ.

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