Der neue Polit-Lautsprecher

Der neue Polit-Lautsprecher
Die Parteien entdecken Facebook für sich. Was es ihnen bringen kann und wo die Gefahren lauern.

Es darf nicht sein, dass die Bevölkerung trotz harter Arbeit immer ärmer wird!", findet HC Strache. "Wird Zeit, dass sich was ändert!", pflichtet ihm Herr P. bei. Und Frau B. meint: "Ausländer fahren BMW, rennen mit Markenklamotten herum, und ich muss jeden Cent umdrehen und schauen, dass ich nicht Schulden mache." - Es entspinnt sich eine Debatte, wie sie an jedem Stammtisch stattfinden könnte. Mit dem Unterschied, dass das Wirtshaus ein virtuelles ist: Facebook.

So bleibt die Plauderrunde auch nicht auf Stammtisch-Größe beschränkt: Nach einer Stunde gibt es 60 Wortmeldungen, 417 Menschen haben Straches ursprünglicher Aussage zugestimmt. Für ein solches Echo musste Strache früher eine ganze Wirtshaus-Tour unternehmen - und nicht nur ein paar Zeilen am PC tippen.

Faktor

FPÖ-Chef Strache zählt zu den fleißigsten Politikern auf Facebook . Seine Seite im sozialen Netzwerk (auf der sich am Montag oben erwähnte Statements fanden) hat 103.000 "Fans", die meisten unter den österreichischen Politikern. Das Internet und Plattformen wie Facebook, Twitter & Co. sind auch für die Politik längst weit mehr als Spielerei; sie sind zu einem ernst zu nehmenden Faktor gereift.

Die Chance für Politiker: So schnell, billig und ungefiltert lassen sich Botschaften nur im Internet verbreiten.

Die Gefahr: Das Netz reagiert schnell - und es vergisst nicht. Fotos und Videos verbreiten sich rasch und unaufhaltsam, ebenso unliebsame Dokumente. Karl-Theodor zu Guttenbergs Dissertation wäre wohl nicht (so flott) als Plagiat entlarvt worden, hätte sie nicht im Netz gestanden.

Vergangene Woche stolperte FPÖ-Mandatar Werner Königshofer über Äußerungen, die nicht etwa bei einer Wahlkampf-Veranstaltung oder einer Rede gefallen waren - sondern auf seiner Homepage und auf Facebook.

"Man darf die Aktivitäten im Internet nicht unterschätzen", sagt Lisa Fuchs, Social Media Beraterin bei der Agentur Datenwerk, die Heinz Fischers Internet-Kampagne bei seiner Wiederwahl 2010 konzipierte.

"Für viele Leute ist virtuell real, deren politische Aktivität findet im Netz statt. Entweder, weil sie nicht die Zeit haben, sich offline zu engagieren. Oder, weil es - wie bei vielen Jungen - Teil der Lebensrealität ist." Da sei es von einem "Gefällt mir" auf Facebook bis zum Kreuzerl in der Wahlkabine oft kein allzu langer Weg.

Gehör

Fuchs würde allen Politikern zu Facebook-Aktivitäten raten - "wenn sie Zeit und Muße haben, sich darum zu kümmern. Rüberkopierte Partei-Aussendungen interessieren hier niemanden. Wenn man aber Energie investiert, um auf die User einzugehen, kann das für jeden Politiker einen positiven Effekt haben."

Kanzler, Vizekanzler und die meisten Minister habe noch keine Facebook-Seiten - im Gegensatz zu zahlreichen "Hinterbänklern" und "kleinen Abgeordneten". "Für jene, die sonst kein Gehör in den Medien bekommen, ist Facebook besonders interessant", sagt Fuchs. "Sie können sehr zielgruppenspezifisch agieren. Und: Die Politik hat sich noch nicht darauf eingestellt, dass das Medium ,quick and dirty' ist." - "Schnell und dreckig" also, soll heißen: Während jede Presse-Aussendung mit der Zentrale abgestimmt werde, könne auf Facebook noch jeder unkontrolliert posten, was er will.

Facebook: Größtes "soziales Netzwerk"

Facebook ist mit mehr als 750 Millionen registrierten Benutzern das größte soziale Netzwerk im Internet und zählt zu den meist besuchten Webseiten weltweit. Jeder, der älter als 13 Jahre ist, kann sich kostenlos bei Facebook registrieren. Als Benutzer kann man eine persönliche Seite erstellen, sich präsentieren, sich mit anderen Benutzern vernetzen, Fotos und Videos hochladen - zu denen andere wiederum Kommentare abgeben können. Auf Facebook kann man über Computer oder über ein Handy mit Internet-Anschluss zugreifen.

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