Datenbank als Bürger-Schreck fürs Parlament

Nur jeder Fünfte glaubt an Neuwahl
Transparenz: Eine Online-Plattform, die Nebentätigkeiten der Politiker offenlegt, sorgt für Wirbel. Das versprochene Gesetz gibt es immer noch nicht.

Im Regal steht Literatur zu Recherchetechniken und Kommunikationsguerilla, oben drauf ein Mini-Kaugummiautomat. Am Fenster hängt eine Guy-Fawkes-Maske – das Symbol der "Occupy"-Bewegung. Das Büro in Wien wirkt wie die Kommandozentrale einer Studentenfraktion. Aber nicht wie etwas, wovor sich ausgewachsene Politiker fürchten müssten. Tun sie aber.

2011 hat viele Skandale gebracht, aber kaum Antworten des Gesetzgebers. Die Politiker-Datenbank meineabgeordneten.at ist eine. Aber von unten. Zivilgesellschaftliche Notwehr. Bürger schrecken die Parlamentarier.

Reaktion

Datenbank als Bürger-Schreck fürs Parlament

Ihr bisher größter Erfolg ist symbolisch: Letzte Woche zeigte der ORF-Report in epischer Länge, wie sich Nationalratspräsidentin Barbara Prammer quält – und auf der Parlaments-Homepage die Liste der Nebeneinkünfte der Abgeordneten nicht findet. Die Liste war bis Dienstag in den Tiefen der Homepage derart gut versteckt, dass sie Prammer nicht auf Anhieb finden konnte.

Immerhin: Ein Hinweis auf die Liste ist seither auf der Startseite plaziert. Aber die präsentierten Daten reichen den Machern von meineabgeordneten.at noch lange nicht. Sie sammeln selbst Informationen: über Abgeordnete im National- und Bundesrat, im EU-Parlament sowie über Regierungsmitglieder. Die Ergebnisse werden als Dossiers auf die private Website gestellt. Die redaktionelle Leiterin Marion Breitschopf sagt, nur öffentlich zugängliche Quellen würden verwendet, „zum Beispiel das Firmenbuch“.

Datenbank als Bürger-Schreck fürs Parlament

Ausbildung, Beruf, Vereine, Reden, Mandate – so gebündelt waren diese Daten bisher aber nicht abrufbar, das macht Politiker nervös. Breitschopf: „Anfangs gab es schon merkwürdige Anrufe von Abgeordneten.“ Der Korruptionsexperte Hubert Sickinger sagt: „Es überrascht wohl viele, dass sie ernst genommen werden, dass es relevant ist, wessen Interessen sie vertreten.“

Einige Politiker haben seit Start der Plattform im November wirklich gelitten. Nebenjob-Rekordhalter Jakob Auer (ÖVP) etwa: Kein Parlamentarier steht so oft im Firmenbuch wie er. „Das war uns fast schon unangenehm, wie der durch alle Medien geprügelt wurde“, sagt Breitschopf. Mittlerweile hat der Bauernbund-Chef sogar deklariert, dass er Bauer ist. Das Team hat schon mehrere Abgeordnete erwischt, die Nebeneinkünfte nicht wie verlangt deklariert haben.

Ein Abgleich der offiziellen Parlamentsdaten mit den eigenen Dossiers hat ergeben: „Bei 72 von 282 Mandataren gibt es Lücken. Die bekommen bald Post von uns“, sagt Breitschopf. Das geltende Gesetz sei „Blödsinn“, sagt sie: Alle Tätigkeiten mit mehr als 1142,40 Euro Jahresverdienst müssen offengelegt werden – aber ohne Abstufung, ein Millionensalär scheint also in der selben Art auf wie kleine Aufwandsentschädigungen. Breitschopf: „Da ist es umso schlimmer, dass nicht mal das eingehalten wird.“

Finanzierung

Datenbank als Bürger-Schreck fürs Parlament

Finanziert wird das Dreier-Team (zwei Redakteure, ein Techniker) von respekt.net, einer Plattform für politische Projekte. respekt.net lebt von Spendern. Gründer Martin Winkler spricht lieber von „Investoren“ – meineabgeordneten bekam 20.000 Euro von 200 Investoren. Unternehmensberater Winkler sagt, dieses Projekt habe er besonders gerne unter „die respekt.net-Fittiche“ genommen – denn er hofft selbst auf neue, schärfere Transparenzregeln für Politiker. Und: „Wo nix anderes mehr geht, dort kümmern wir uns eben drum.“

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