D: Wende bei Neonazi-Ermittlungen

Die Täter haben die 2007 ermordete Polizistin anscheinend gekannt. Österreichs Grüne greifen die Behörden heftig an.

Ein Mord an einer Polizistin passt nicht ins Raster", hatten die Ermittler noch vor wenigen Wochen vermutet, als die Tatwaffen vom Heilbronner Polizistenmord aus dem Jahr 2007 in der Wohnung des Neonazi-Trios Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gefunden worden waren. Auch kurz nach dem Mord an Michele Kiesewetter am 25. April 2007 schlossen die Ermittler aus, dass zwischen dem Opfer und dem oder den Tätern eine Verbindung besteht.

Am Montag die Wende: Der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, sagte, dass es nun doch "mehrere Schnittpunkte zwischen dem Umfeld der Polizistin und dem Täterkreis" gebe. Auch Kiesewetter stammte, wie das Trio des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), aus Thüringen. Ihre Familie habe in der Vergangenheit versucht, ein Gasthaus anzumieten, das aber dann ein Mann aus dem Umfeld von Beate Zschäpe bekam. Warum Kiesewetter aber sterben musste, ist noch nicht bekannt. Man stehe mit den Ermittlungen noch ganz am Anfang, sagte Ziercke.

Mehr Helfer

Eines wird aber immer klarer: Die Zwickauer Terrorzelle hatte mehr Helfer, als bisher bekannt war. Die Zahl der offiziell Beschuldigten erhöhte sich seit Freitag
von vier auf fünf. Der Verfassungsschutz hat zudem bis zu 20 Unterstützer in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen ausfindig gemacht, die den dreien zumindest zeitweise geholfen haben. Ein Ex-V-Mann sagt, der Verfassungsschutz müsse das gewusst haben - denn einige Helfer hätten in der Szene damit geprahlt. Deutsche Parlamentarier wollen jetzt "schonungslose Berichte" der Sicherheitsbehörden.

Sonderermittler sollen Versäumnisse und Pannen untersuchen; außerdem wird ein Kontrollor für die Nazi-Kontrollore gesucht - offenbar haben die Landesbehörden nicht miteinander kommuniziert. Union, FDP, Grüne und Linke planen einen gemeinsamen Entschließungsantrag gegen Rechtsextremismus. Außerdem soll es eine Anzeigenkampagne geben. Im Entwurf heißt es: "Wir sind beschämt, dass unser Staat ihnen (den zehn Mordopfern, Anm.) keinen Schutz vor diesen terroristischen Verbrechern geboten hat."

Lage in Österreich

Der Grüne Karl Öllinger beschäftigt sich seit Jahren mit der Szene in Österreich. Die Lage sei hier noch weit schlimmer als in Deutschland, sagt er. Am Montag attackierte er die heimischen Verfassungsschützer scharf. Sie seien bei Neonazi-Umtrieben "blind" und würden nur verharmlosen - obwohl die Zahl der Anzeigen steige. "Die Gewichtung der Bedrohung im Gesamtbericht des Verfassungsschutzes ist bedenklich. Vorne wird der Islamismus gereiht, dann kommt lange nix, dann ein paar Tierschützer, Linksradikale. Erst am Ende der Skala stehen Neonazis, obwohl es wegen Gewalttaten aus dem Milieu Tote gegeben hat." Viele Taten mit rechtem Hintergrund würden im Bericht fehlen, weil der Hintergrund ignoriert werde. Auch die Hinweise auf Verbindungen der rechten Szene, den Burschenschaften und der FPÖ fehlen Öllinger.

Die Versäumnisse der Staatsschützer zeige der Fall "SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen". 2002 sei in Wien das bisher größte Waffenlager von Neonazis in der Geschichte der Zweiten Republik ausgehoben worden. Zu Anklagen wegen Wiederbetätigung oder Bildung von staatsfeindlichen Verbindungen kam es nach seinen Recherchen bis heute nicht. Öllinger will diesen Fällen mit parlamentarischen Anfragen nachgehen - und wissen, wie viel Geld der Staatsschutz in V-Leute investiert hat.

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