Cap und Pilz im KURIER-Streitgespräch

Cap und Pilz im KURIER-Streitgespräch
„Für Faymann geht es jetzt um den Kopf“, sagt der Grüne Pilz im KURIER-Streitgespräch. „Das ist klassische Kriminalisierung“, kontert SP-Klubchef Cap.

Zwei, die seit 40 Jahren in „Freundschaft“ wie in erbitterter Gegnerschaft verbunden sind, stehen derzeit in der ersten Reihe im Kampf um den U-Ausschuss: Josef Cap, der sich mit seinem Vergleich zwischen den ORF-Sommergesprächen und dem Untersuchungsauschuss zum Gespött machte, und Peter Pilz, der Lieblingsfeind aller gegnerischen Fraktionsführer im Ausschuss.

Am Mittwoch soll ein Gespräch der Klubchefs mit Nationalratspräsidentin Prammer einen Ausweg aus der verfahrenen Situation bringen. Inzwischen hat der Vizeklubchef der Grünen, Werner Kogler, einen Antrag bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Verleumdung eingebracht: Die Klubobleute Kopf und Cap hätten der Ausschussvorsitzenden Moser zu Unrecht „nachträgliche Protokollfälschung“ vorgeworfen. Für den Sonntag-KURIER trafen Cap und Pilz am Donnerstag zum Schlagabtausch im Parlament aufeinander.

KURIER: Sie beide gelten als Lieblingspaarung für politische Streitgespräche. Warum?
Josef Cap
: Unser Zugang zur Politik ist ein pointierter, zugespitzter. Und wir legen beide Wert darauf, dass es auch Ironie geben darf.

Ironie? Man sagt Ihnen eher Zynismus nach.
Peter Pilz
: Aber nein. Er hat früher zum Zynismus tendiert. Ich hab’ ihn davon abgebracht, indem ich gesagt hab’: „Seppi, bleib sonnig! Das Zynische bringt doch nichts.“
Cap: Also haben wir uns auf Ironie geeinigt.
Pilz: Und wir beide kommen – was hier im Parlament nicht so üblich ist – schnell zur Sache. Stellen Sie sich als Kontrastprogramm ein Streitgespräch Strache/Westenthaler vor ...
Cap: Also bei dem Vergleich muss ich meinen ersten Protest einbringen!
Pilz: Ich ziehe „Strache/Westenthaler“ mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.
Cap: Ist somit akzeptiert.

Kuschelkurs trotz des aktuellen parlamentarischen Kollisionskurses? Dem U-Ausschuss droht das Aus, und man hat den Eindruck, alle Parteien bringen rein taktische Argumente. Worum geht es wirklich?
Pilz: Es geht um das Recht, die politische Verantwortung zu klären. Darf ein Untersuchungsausschuss den Bundeskanzler und Ex-Verkehrsminister laden oder nicht?
Cap: Der darf das jederzeit. Die Frage ist eine andere: Sind die Fakten so zwingend, dass eine Einladung ausgesprochen wird?
Pilz: Und deshalb frage ich dich: Wer hatte 2007 (zur Zeit der „Inseratenaffäre“, Anm.) im Verkehrsministerium die politische Verantwortung?
Cap: Ich werde auf das, was du hier ansprechen willst, umfassender antworten: Wieso ist in der Kultur der U-Ausschüsse zwischen dem Deutschen Bundestag und dem Österreichischen Nationalrat so ein Unterschied? Wieso ist das dort akzeptierter als bei uns?

Worauf wollen Sie damit hinaus? Helmut Kohl wurde in seiner Zeit als Kanzler vor einen U-Ausschuss geladen und ist erschienen.
Cap: Ich meine etwas anderes: Wir haben oft Streitsituationen, weil eine Seite im Ausschuss Strategien an den Tag legt, die als Kriminalisierungstaktik interpretiert werden kön nen.

Es geht doch nur um eine Befragung. Warum kommen Sie dieser Tage ständig mit dem Ausdruck „Kriminalisierung“?
Cap: Weil’s stimmt. In der Betrachtung des Bürgers wird der Untersuchungsausschuss oft mit einer Gerichtsverhandlung verwechselt.

Cap und Pilz im KURIER-Streitgespräch

Wer eine Einladung bekommt, wird automatisch kriminalisiert?
Cap
: Nicht automatisch. Ich sage: Ob man jemanden als Auskunftsperson einlädt, ist streng von der Faktenlage her zu beurteilen.
Pilz: Dann tun wir das doch endlich! Und weil du Deutschland erwähnt hast: Dort funktioniert es besser, weil der Untersuchungsausschuss ein Minderheitenrecht ist und weil kein Kanzler oder Minister, der geladen wird, auf die Idee käme, sich zu drücken. Es ist ein österreichisches Phänomen, dass sich der Kanzler vor einem U-Ausschuss verstecken kann und sich Abgeordnete der Regierungsparteien als Fluchthelfer betätigen.
Cap: Man wird ja noch sagen dürfen: „Aufgrund der Faktenlage sehen wir keine Notwendigkeit, dass der Bundeskanzler eingeladen wird“, ohne dass man gleich als „Fluchthelfer“ tituliert wird.

Die Situation ist auf des Messers Schneide ...
Pilz
: Für Faymann geht es jetzt um den Kopf.
Cap: Einwurf: Das ist für mich so ein klassisches Kriminalisierungsbeispiel.

Halten Sie es für möglich, dass der Ausschuss an der Frage der Vorsitzführung scheitert?
Pilz
: Ich halte es für möglich, dass der Ausschuss an Faymann und der SPÖ scheitert. An Gabi Moser kann er jedenfalls nicht scheitern.

Wie könnte sich etwas bewegen?
Pilz
: Indem die Regierungsparteien endlich bereit sind, Auskunftspersonen, die sie vor zwei Wochen vorgeschlagen haben, zu laden. Wenn wir die dann zu ASFINAG, ÖBB und den Inseraten gehört haben, sind wir bereit, noch einmal zu verhandeln, ob der Bundeskanzler muss. Aber ich bleibe dabei: Faymann muss kommen.
Cap: Die Fraktionsvorsitzenden werden sich unter Führung der Nationalratspräsidentin zusammensetzen, um eine Lösung zu suchen. Positiv finde ich übrigens, dass wir, obwohl wir gerade eine sehr schwierige Situation hier im Haus haben, beieinander sitzen und in aller Ruhe über alles reden können.

Herr Dr. Cap, Sie hatten keine leichte Woche, mussten sich für Ihren „Sommergespräche“-Vergleich viel Kritik anhören, die Nationalratspräsidentin sprach gar von „Unsinn“. Frage an Sie, Herr Dr. Pilz: Tut Ihnen Ihr politischer Gegner fast schon ein bisschen leid?
Pilz: Da tu’ ich mich jetzt fast schon ein bisserl schwer mit der Antwort. Gerade diese Woche hätte ich nicht die geringste Lust gehabt zu tauschen.

Sonst schon?
Pilz
: Sonst hätte ich wenig Lust. Aber das ist eine besonders schwierige Situation: Ich kriege als SP-Klubobmann auf der einen Seite Befehle aus dem Kanzleramt, weiß aber auf der anderen Seite, wie schwer das dem Parlament und auch den eigenen Abgeordneten zumutbar ist. – Da beneide ich ihn nicht. Und ob er mir privat im letzten Kammerl meines Herzens leid tut, das sag’ ich ihm persönlich.

Frage an Sie, Herr Dr. Cap: Würden Sie den Vergleich mit den „Sommergesprächen“ aus heutiger Sicht wieder ziehen?
Cap: Abgesehen davon, dass wir in einer Zeit leben, in der Ironie gestattet sein muss, habe ich ja viel mehr gesagt als das. Übrig geblieben ist nur der Satz. Dabei ist es doch schon rein rechtlich völlig klar, dass ein „Sommergespräch“ nie einen Untersuchungsausschuss ersetzen soll und kann. Es war ironisch gemeint, weil Armin Wolf sämtliche Sommergespräche wie der Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses geführt hat.

Sehen Sie sich als Opfer der journalistischen Verkürzung?
Cap
: Naja, das wurde auch absichtlich falsch interpretiert. Da kam eine Lust am Missverstehen zutage, die ich nicht teilen kann.
Pilz: Eine kleine Nachlieferung zu vorher, ich hab’s mir überlegt: Nein, er tut mir nicht leid. Weil es letztlich eine persönliche Entscheidung ist, auf welcher Seite man steht – auf der des Parlaments oder auf der der Regierung. Wenn sich jemand in so einer Situation aus meiner Sicht falsch entscheidet, bedaure ich das, aber für Leidtun ist da kein Platz.

Cap und Pilz im KURIER-Streitgespräch

Herr Dr. Cap, Sie haben 2002 gesagt: „Ich habe mich zu sehr in die Logik der Macht einbinden lassen. Aus diesem Fehler habe ich gelernt.“ Wie weit haben Sie sich erneut in die Logik der Macht einbinden lassen?
Cap: Das ist immer ein Kampf mit sich selbst. Und den muss jeder permanent führen. Auch der Peter Pilz hat die Machtlogik zu berücksichtigen: „Wie werden wir stärker? Wie kommen wir in die Regierung?“ Man muss eine Distanz zur Machtlogik entwickeln, wiewohl sie nicht immer zu durchbrechen ist.
Pilz: Auch ich hatte in den vergangenen Wochen eine heikle Entscheidung zu treffen. Da kommt man in schwere Loyalitätskonflikte. Es ging um Annäherungsversuche zwischen SPÖ und Grünen. Nachdem ich meine Kritik intern vorgebracht hatte und offensichtlich nicht überzeugend war, habe ich entschieden: Ich gebe ein Interview und sage öffentlich, dass ich das für einen schweren politischen Fehler halte. Es gibt Situationen, in denen man den öffentlichen Konflikt mit der eigenen Parteiführung aushalten muss.

„Von seinen Grundwerten darf man sich nie verabschieden.“ – Kommt Ihnen das bekannt vor, Herr Dr. Cap?
Cap: Genau so ist es. Und in meinem Fall sind das Gerechtigkeit, Freiheit, Demokratie, Solidarität, all die sozialdemokratischen Grundwerte (an Peter Pilz gerichtet) , die eigentlich auch deine waren, nur organisatorisch hast du dich leider für die Grünen entschieden.
Pilz: Er kann’s nicht lassen ...
Cap: Ja, ich werde nie aufhören, Werbegespräche zu führen, damit du erkennst, dass dein Weg zu den Grünen ein Irrweg war.
Pilz: Der will mich noch zur Sozialistischen Jugend bringen.

Beim VSStÖ haben Sie einander ja kennengelernt. Wann genau war das?
Pilz
: Vor 40 Jahren. Ich bin mit 18 zum VSStÖ gekommen, und da ist er schon gesessen.
Cap: Meistens gestanden, weil ich Flugblätter verteilt habe.

Und was war Ihr erster Gedanke?
Pilz
: Wer is denn des?

Bewundernd oder abschätzig?
Cap
: Na jetzt sei aber ehrlich!
Pilz: Weder noch. Wir hatten eine witzige Zeit bis zur großen Entscheidung, bei der wir uns damals heillos zerstritten haben über die Frage: „Wo liegt unsere politische Zukunft? Beim Marsch durch die SPÖ oder im Schaffen einer Alternative außerhalb der SPÖ?“
Cap: Wir haben in den Hörsälen fundamentale gesellschaftspolitische Diskussionen geführt. Es war eine spannende Zeit. Aber wir waren ständig bedroht, weil die Partei Gegenstudentenbewegungen gründen wollte.

Kein Wunder, Sie haben Lieder gesungen, wie: „Auf in den Kampf, Genossen, holt’s euch den Rum im Konsum, holt’s aus dem Wald die Prügel, und bringt’s den Parteivorstand um.“
Pilz
: Na servas, ich erinnere mich wieder.
Cap: Also ich hab’ nicht mitgesungen.
Pilz: Eine Zeit lang schon.
Cap: Ich hab’ aufgehört, ich kann nicht singen.
Pilz: Da hat der Josef Cap einmal eine Schwäche rechtzeitig erkannt und die Konsequenzen gezogen. Dann hat er aber ständig diese Adriano-Celentano-Platte gespielt: Yuppi Du. Daran kann ich mich schmerzlich erinnern.
Cap: Ich wollte dich aufhellen, du hast immer so einen leicht traurigen Blick gehabt.

Gibt es etwas, das Sie dem anderen nie verzeihen würden?
Cap
: Verzeihen? Ganz klar: Wenn wir etwas vereinbaren, und das hält dann nicht.
Pilz: Stimmt. Ich würde ihm aber auch nie verzeihen, wenn er plötzlich bei mir im Büro auftaucht, den Batterie-betriebenen Plattenspieler von damals auspackt und Yuppi Du spielt.
(Im Hintergrund ertönt „Yuppi Du“ aus dem Smartphone von Caps Pressesprecher. Cap grinst, Pilz hält sich die Ohren zu).

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