Bürokratie bremst Demokratie
Die Kanzlerpartei feierte einen "Meilenstein in Sachen direkte Demokratie", Europa-Minister Michael Spindelegger lobte "neue Mitspracherechte" und "frischen Wind". Anlass für die Euphorie: Das Inkrafttreten der sogenannten Europäischen Bürgerinitiative (EBI).
Seit 1. April können EU-Bürger grenzüberschreitend ihre Anliegen direkt in den Brüsseler Gesetzgebungsprozess einbringen – ähnlich einem Volksbegehren in Österreich. Erforderlich ist eine Million Unterschriften aus mindestens sieben EU-Staaten – plus eine bestimmte Mindestzahl in jedem Staat.
Fünf Monate nach dem feierlichen Start ist es aber still geworden um die Europäischen Bürgerinitiativen; die Vorfreude ist vielerorts Ernüchterung gewichen. Zwar sind bereits neun Initiativen durch die Kommission zugelassen worden. Doch haben sich die bürokratischen Hürden bisher als (zu) hoch erwiesen.
Wer eine der Initiativen unterstützen will, wird auf den meisten Websites vertröstet; die im Vorfeld als große Innovation gefeierte Möglichkeit, online unterschreiben zu können, funktioniert erst bei zwei Plattformen.
Hürden
Für die Unterschriftensammlung im Internet stellt die EU-Kommission Software zur Verfügung. Die technische Ausstattung mit Servern und die Zertifizierung des Sammelsystems (strenge Auflagen zum Datenschutz) müssen die Initiativen selbst stellen. Und das kostet. "Wir hatten ein Angebot einer Firma, das 10.800 Euro gekostet hätte", sagt Kathleen Hielscher von der Initiative "Fraternité 2020". "Für uns als Non-profit-Initiative ist das zu teuer."
Als Starthilfe hat die Kommission "Fraternité 2020", der ersten zugelassenen Initiative, nun angeboten, die technische Abwicklung und die Kosten dafür zu übernehmen. Und: Das Jahr, das man Zeit hat zum Stimmensammeln, läuft erst, wenn man sich tatsächlich online eintragen kann. Die Unterstützung sei "ein temporäres Angebot, das es sicher nicht dauerhaft und für alle Initiativen geben wird", heißt es aus der Kommission.
Hilfe
Die SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner kann sich hingegen vorstellen, dass die EU die Initiativen etwa bei der Online-Sammlung von Unterschriften so weit unterstützt, dass die finanziellen Anforderungen keine große Rolle mehr spielen. "Die Kommission täte gut daran, alles zu tun, was die Einbeziehung der Bürger stärkt – im eigenen Interesse, damit die EU eine stärkere Chance auf Akzeptanz hat", sagt Regner. "Bürokratische Hürden schaden der EU. Da ein bissl Gas zu geben wäre gescheit." Regner will die Rahmenbedingungen der Europäischen Bürgerinitiative noch einmal überprüfen. "Wir hätten uns alle mehr erwartet", sagt sie zum KURIER, "wir sehen, dass es in der praktischen Umsetzung hapert. Erfüllt die Kommission da ihre Aufgaben ordentlich? Oder gibt es in der Bürokratie Hürden, an denen die Initiativen scheitern? Das sollten wir uns genau anschauen."
Bei der Kommission sind die Probleme mit den bürokratischen Hürden vor Kurzem auch offiziell angekommen: Seit Ende August gibt es eine Bürgerinitiative, die die Vereinfachung von Bürgerinitiativen zum Ziel hat.
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