Zwei Drittel glauben: Schmiergeld wirkt
120 Milliarden Euro, rechnet die EU-Kommission, entgehen der Wirtschaft in der Europäischen Union jährlich durch Korruption. Die Brüsseler Behörde hat das zum Anlass genommen, die Korruptionsbekämpfung in den EU-Staaten unter die Lupe zu nehmen. Im ersten Korruptionsbekämpfungs-Bericht, den Innenkommissarin Cecilia Malmström am Montag präsentierte, werden Fortschritte und Versäumnisse jedes Landes aufgelistet – ein „Korruptions-Ranking“ gibt es aber nicht.
Österreichs „Zeugnis“ fällt einigermaßen anständig aus: Die Kommission lobt die verstärkten Anstrengungen der vergangenen Jahre. Die Korruptionsbekämpfung sei nun „stärker auf Prävention und Strafverfolgung ausgerichtet“. Nachdem die Öffentlichkeit 2009 durch „prominente Korruptionsfälle“ sensibilisiert wurde, habe die Politik „erhebliche Anstrengungen“ unternommen, „um seine Institutionen zu reformieren“, heißt es in dem Bericht: „Korruption wird nun im Rahmen einer Strategie zur Bekämpfung von Finanzkriminalität gezielt verfolgt.“
Zu tun gäbe es dennoch einiges, sagen die Experten. So drängt die Kommission darauf, dass bei der 2011 geschaffenen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption gesichert sein muss, dass sie über genügend Ressourcen verfügt.
Den Ermittlern solle bei Korruptionsverdacht auch der Zugang zu Bankkonto-Informationen erleichtert werden – dies würde die Strafverfolgung wirksamer machen.
Außerdem empfiehlt die Kommission einen Überwachungsmechanismus für die Überprüfung von Vermögenserklärungen „von hochrangigen gewählten oder bestellten Amtsträgern“. Derzeit kann der Rechnungshof hier nicht prüfen, fehlen Sanktionen (siehe unten).
„Schmiergeld wirkt“
Begleitend zum Bericht gibt es eine Eurobarometer-Umfrage zum Thema: Demnach glauben 66 Prozent der Österreicher, dass Korruption „weitverbreitet“ ist – im EU-Durchschnitt sind es 76 Prozent. Am stärksten persönlich von Korruption betroffen fühlen sich Bürger aus Bulgarien und Zypern mit je 57 Prozent; dahinter folgen Kroatien (55) und Italien (42). In Österreich fühlen sich nur 14 Prozent persönlich betroffen, am wenigsten sind es in Frankreich, Deutschland (je sechs) und Dänemark (3).
Alarmierend sind die Ergebnisse auf eine andere Frage: 73 Prozent der EU-Bürger glauben, dass Schmiergelder und Gefälligkeiten der „leichteste Weg sind, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten“. In Griechenland und Zypern stimmen dem 93 bzw. 92 Prozent zu, in der Slowakei und Kroatien je 89. Im EU-Durchschnitt glauben das immerhin 73 Prozent, Österreich (69) liegt nur knapp darunter – und hat hier den höchsten Wert unter den wohlhabenden mitteleuropäischen Staaten; Finnland und Dänemark (je 35 Prozent) haben den niedrigsten.
„Äußerst bedenklich“ findet Franz Fieder, dass ein Drittel der Österreicher es als akzeptabel betrachtet, für öffentliche Dienstleistungen eine Gefälligkeit zu erweisen, sprich, Schmiergeld zu zahlen. „Korruption wird als Kavaliersdelikt gesehen“, sagt Fiedler zum KURIER, „zumindest von einem Drittel der Bevölkerung“.
Positiv bemerkt der Präsident der Österreich-Sektion von Transparency International, dass die EU-Kommission die Anstrengungen Österreichs bei der Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention hervorhebt. „Die Einführung der Strafbarkeit für Anfüttern oder das Whistleblowing, die anonyme Kommunikation mit den Korruptionsbehörden, werden lobend erwähnt“, analysiert Fiedler.
Nicht einverstanden ist der Ex-Rechnungshof-Präsident mit der positiven Bewertung des Parteienfinanzierungsgesetzes, das seit 2013 in Kraft ist. „Da ist der Kommissionsbericht zu positiv, auf die Schwachstellen des Gesetzes wird nicht Bezug genommen.“ Nicht einverstanden ist er auch mit der EU-Beurteilung des Lobbying-Gesetzes. „Das Gesetz ist nicht transparent und muss geändert werden.“
Zu Recht beanstandet werde durch die EU-Kommission die fehlende Überprüfung der Vermögenserklärungen von hochrangigen Politikern an den Rechnungshof. „Der Rechnungshof kann die Vermögensverhältnisse nicht überprüfen, und es gibt auch keine Sanktionen.“
Einverstanden ist der Transparency-Experte mit der leisen Kritik an der Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte gegenüber dem Justizminister. „Die Kritik sollte noch deutlicher ausfallen. Solange die Staatsanwälte weisungsgebunden sind, solange wird es Misstrauen in der Bevölkerung geben, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht.“
Die EU-Kommission bescheinigt Österreich verstärkte Anstrengungen bei der Korruptionsbekämpfung. In dem Bericht heißt es, dass Österreich sowohl bei der Verhinderung als auch der strafrechtlichen Verfolgung Schritte gesetzt habe.
Gleichzeitig wird von der Brüsseler Behörde aber angeregt, dass Österreich die notwendigen Mittel für spezielle Ankläger in Korruptionsfällen gewährleisten solle. Der Zugang zu Bankkonto-Informationen sollte beispielsweise erleichtert werden, bei Verdacht auf Korruption sollte auch eine effektivere Schmiergeldverfolgung Platz greifen.
Generell schlägt die Kommission verstärkte Präventivmaßnahmen - ethische Grundsätze, Sensibilisierungsmaßnahmen, einfacher Zugang zu Informationen von öffentlichem Interesse - vor. Ferner sollte es externe und interne Kontrollmechanismen geben. Sanktionen für Vorschriftsverletzungen würden zu selten angewendet und seien häufig nicht streng genug. Strafrechtliche Vorschriften zur Bekämpfung der Korruption seien weitgehend in den EU-Staaten vorhanden. Trotzdem gebe es bei der Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor unterschiedliche Umsetzungen.
In der Politik sei Integrität wesentlich. Verhaltensregeln für politische Parteien oder gewählte Versammlungen seien selten und häufig zu unverbindlich. Bei der Parteienfinanzierung gebe es trotz teils strenger Vorschriften immer noch gravierende Mängel. Abschreckende Sanktionen für illegale Parteienfinanzierung in der EU würden selten verhängt. Innerhalb der EU-Staaten bestünden höhere Korruptionsrisiken auf regionaler und lokaler Ebene. Die öffentliche Auftragsvergabe sei ein für Korruption anfälliger Bereich.
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