Wieso minderjährige Albaner aus britischen Hotels verschwinden

Die britische Stadt Hove am Ärmelkanal ist für ihre bunte Promenade bekannt. Derzeit ist sie wegen des mysteriösen Verschwindens junger Migranten in den Schlagzeilen. Rund 200 asylsuchende Minderjährige, darunter ein Mädchen, werden dort vermisst. 13 von ihnen sind unter 16 Jahre alt. Und: 176 von ihnen kommen aus Albanien. Dort gibt es wenige gute Jobs – auf der Suche nach Zukunftsperspektiven versuchen viele, zu britischen Verwandten zu gelangen.
Die 200 verschwundenen Kinder gehörten zu über 4.600 unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, die das britische Innenministerium seit Juli 2021 temporär in Hotels – so auch in Hove – einquartiert hat. Minderjährige ohne erwachsene Begleiter sollten aber besser in die Obhut von Spezialisten, betonen Menschenrechtsgruppen. Sie werfen der konservativen Regierung von Premier Rishi Sunak einen "Kinderschutzskandal" vor.

Premier Rishi Sunak steht unter Kritik.
Der Observer ist dem nachgegangen und fand heraus, dass in den letzten eineinhalb Jahren etwa 600 Minderjährige in einem Hotel in Hove untergebracht waren. 79 von ihnen haben sich scheinbar in Luft aufgelöst.
Manche würden wohl zu Familienmitgliedern gegangen sein, so Experten. Einige dürften jedoch auch Menschenhändlern in die Fänge geraten sein. So etwas passiere immer wieder, erzählt Altin Hazizaj dem KURIER. Der Albaner arbeitet für eine Kinderrechtsorganisation in Tirana und meint: "Kriminelle entführen oft Menschen aus den ärmeren Balkanländern, beuten sie aus oder missbrauchen sie sexuell."

Eines der Hotels, in denen in London Asylsuchende untergebracht werden.
Das geschehe aber nicht nur in Großbritannien, sondern auch in anderen Ländern. Er wisse etwa von Fällen in Italien, den Niederlanden und Deutschland. Hazizaj ist auch der Meinung, dass es sich bei den kürzlich verschwunden Kindern nicht zufällig um albanische gehandelt hat: "Britische Politiker sprechen von einer albanischen Invasion und schüren damit Hass." Großbritannien habe die Kinder aufgrund ihrer Herkunft zu wenig beschützt, so sein Vorwurf.
Brexit funktioniert nicht
Ein Grund, warum das Thema Migration derzeit wieder hochgespielt wird: Die Zahl der Ärmelkanal-Bootsmigranten stieg 2022 von 29.000 auf 46.000. Rund 12.000 davon waren Schätzungen zufolge Albaner, 2021 dürften es noch 800 gewesen sein. Und das, obwohl der Brexit mehr Kontrolle über Zuwanderung hätte bringen sollen. Auch der Plan der Regierung, Asylsuchende nach Afrika abzuschieben, dürfte Gangs in die Hände spielen. "Sie sagen den Jungen, dass sie nach Ruanda geschickt werden, wenn sie im Hotel bleiben", sagte etwa ein Informant dem Observer.
Die Regierung in London verweist auf "robuste Schutzmaßnahmen", die junge Asylsuchende "in unserer Obhut so sicher wie möglich" machen. Gruppen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, sehen das freilich anders. Der Refugee Council kritisiert, die Regierung habe "ihre eindeutige gesetzliche Pflicht, Minderjährige zu schützen", egal woher sie stammen, nicht erfüllt.
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