Wiener Stadtkämpferin für eine EU mit urbaner DNA
Nicht selten, wenn Wohnungskrisen europäische Städte plagen, kommen Delegierte diverser Metropolen zu Michaela Kauer und fragen: „Wie macht Ihr das in Wien?“ Und auf ihre unverwechselbar kecke Art antwortet die Chefin des Verbindungsbüros der Stadt Wien in Brüssel dann: „Ganz einfach: Man nehme hundert Jahre Zeit und vor allem – verkaufe nie.“ Denn auch wenn die Mietpreise in den vergangenen zehn Jahren um fast ein Drittel gestiegen sind, gilt Wien weiterhin als die europäische Hauptstadt des bezahlbaren Wohnens. Neid und Bewunderung anderer Metropolen ist Wien damit sicher.
Rezepte der Stadtpolitik hat Michaela Kauer aber in Brüssel nicht zu verteilen, Anregungen zur Zusammenarbeit schon. Wiens Erfolge im eben schon fast hundert Jahre lang praktizierten sozialen Wohnbau ließen sich nicht einfach anderswo als Blaupause übertragen, meint Kauer, bestätigt aber stolz: „Beim Thema Wohnen, angefangen vom Mieterschutz bis zur integrierten Stadtplanung, sind wir in
Wien wirklich glaubwürdig.“
Was wie Werbung für die österreichische Bundeshauptstadt klingt, hat mit dem Job der 52-jährigen gebürtigen Wienerin in Brüssel eher wenig zu tun. Vielmehr geht es darum, die Interessen der Stadt gegenüber den EU-Institutionen durchzusetzen. Die eigenen, aber auch jene aller europäischen Städte. Lobbyisten für die europäischen Metropolen, könnte man also sagen, wäre der Begriff nicht dermaßen verpönt.
Die Städte wollen mitreden
„Zwei Drittel der Bevölkerung Europas lebt in Städten, der Großteil der Wirtschaftsleistung und des Steueraufkommens kommt aus Städten. Und trotzdem dürfen wir nicht mehr institutionell mitreden!“, ärgert sich die studierte Verwaltungswissenschaftlerin.
Rund 300 Büros europäischer Regionen haben Vertretungen in Brüssel, darunter auch fast alle europäischen Hauptstädte. „Wir arbeiten eng zusammen“, schildert Kauer, „weil allein können wir nichts verhindern oder beeinflussen.“
„Den größten Blödsinn“ verhindert
„Den größten Blödsinn“ – nämlich die Privatisierung des öffentlichen Personenverkehrs – hätten die Städte in einem gemeinsamen Kraftakt gegen die EU-Kommission vor einigen Jahren unterbunden. Aber nach wie vor müsse die EU-Politik besser auf die Bedürfnisse der Städte eingehen, verlangt die Chefin des Sieben-Personen-Teams im Wien-Haus. Etwa wenn es darum gehe, schnelleren und unkomplizierteren Zugang zu Förderungen zu bekommen. Oder einfach praktikablere Lösungen zu finden. „Städte sind kluge Organismen“, schildert Kauer begeistert, „wir denken die Dinge in Zusammenhängen: Etwa wir haben Müll und wir brauchen Wärme – also sorgen wir mit unserem Abfall für Fernwärme und neuerdings auch für Fernkälte.“
Multiple, integrierte Lösungen sind aber nicht gerade die Stärke der eher schwerfälligen EU-Institutionen. „Wir Kommunalvertreter könnten ihnen sagen, wie es relativ einfach geht – wenn sie uns nur lassen würden.“ Und? Lässt es die EU zu? „Nein“, grinst die Chefin des Wien-Hauses. Aber das regt die energiegeladene Stadtbegeisterte ohnehin nur an, sich noch mehr Verbündete zu suchen und erneut gemeinsam loszuziehen.
Im nächsten Juni werden es zehn Jahre sein, seit Michaela Kauer die größte österreichische Landesvertretung im Herzen der EU leitet. Brüssel kennt und liebt die ehemalige Wiener Bezirksrätin (Leopoldstadt) seit ihrer Kindheit. Hier hat sie sechs Jahre lang Kindergarten und Volksschule besucht, während ihr Vater für eine europäische Jugendorganisation arbeitete.
Der kosmopolitische Virus
Später, nach Österreichs EU-Betritt kam sie erneut zurück, als eine der allerersten österreichischen Praktikantinnen bei der EU-Kommission. Und spätestens dann war sie infiziert, erzählt Kauer lachend, „mit dem kosmopolitischen Virus. Einmal angesteckt, lässt er dich nicht mehr los“.
Also kehrte sie nach vielen Berufsjahren im Wiener Wohnbauressort in der Wiener Stadtverwaltung erneut nach Brüssel zurück. „Wien ist ja auch kosmopolitisch“, sagt die passionierte Köchin und noch begeistertere Gastgeberin, während sie die Muscheln ins kochende Wasser wirft, „aber das muss man der Wiener Beamtenschaft manchmal vor Augen führen. Und das ist bis heute meine Rolle.“
Mögliche Kandidatur
Und dann werden weiter die Tomaten aus dem eigenen Garten geschnitten, während die Sozialdemokratin sinniert: Immer wieder habe sie auf den Kandidatenlisten für die Europa-Wahlen gestanden. Wird der Name Michaela Kauer auch im kommenden Mai auf der SPÖ-Kandidatenliste zu lesen sein? „Ich werde kandidieren. Das kann ich mir schon vorstellen“, sagt sie fest entschlossen, „aber nur, wenn ich an wählbarer Stelle stehe.“ Das hieße an einem der vier oder fünf vorderen Listenplätze.
Wirklich wichtig ist, ob das Europaparlament in Zukunft vor allem ihr Herzensthema – Stadtpolitik, und dabei das leistbare Wohnen, auf der Agenda hat. Noch aber hat die Leiterin des Wien Hauses die Frage für sich nicht beantwortet: „Wo kann ich meine Ziele besser umsetzen? Im EU-Parlament oder als engagierte Vertreterin hier im Verbindungsbüro, die sich für eine EU einsetzt, die eine urbane DNA hat?“
Die Muscheln!
Acht Minuten müssen sie kochen, die Muscheln, ehe sie dampfend auf Kauers breitem Tisch und vor den Augen ihrer begeisterten Gäste landen. Für die aufwendigen, oft verlangten österreichischen Gerichte muss dann ihr Lebensgefährte aus Wien aufkochen, erzählt Kauer. Dafür werden dann mitunter im Koffer Semmelbrösel oder Kren aus Österreich eingeflogen. Die Spezialwurst des Bruders Cousins mit dem Bauernhof in Kärnten sowieso. Denn zwei ihrer drei liebsten Hobbys frönt die gesellige Vertreterin Wiens in Brüssel auch fern der Heimat so oft wie nur möglich: „Kochen, Leute einladen und segeln.“
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